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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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niemand von den Shinanim wird die wahre Macht des Tores für uns Werwölfe kennen. Morgen helfen wir gemeinsam mit den anderen Werwölfen Norrock, das Tor zu schließen. Es wird wieder unsichtbar werden. Dann verschwinden wir im Wald. Der Schnee wird tauen. Wenn der Frühling kommt, haben die Shinanim längst unsere Spur verloren. Sie haben uns vergessen und kümmern sich stattdessen um Flutopfer in Asien.»
    «Es ist gut, wenn das Tor wieder ganz geschlossen wird», murmelt sie, den Kopf an meiner Brust.
    «Immer noch Albträume von deinem Bruder?»
    Langsam richtet sie sich auf und lässt ihre Augen blicklos werden. «Komischerweise nicht. Ob die Krähen die Träume wirklich verjagt haben? Ich werde ihn nie vergessen, natürlich nicht. Aber es tut nicht mehr so weh. Ich wollte wirklich durch das Tor zu meinem Bruder gehen, obwohl ich wusste, dass ich vielleicht nicht zurückkomme.»
    Ich wäre ihr gefolgt. Wenn ich sie nicht hätte aufhalten können, ich wäre ihr nachgegangen bis ins Licht. «Und jetzt?»
    «Jetzt nicht mehr. Wenn das hier vorbei ist und Norrock das Tor geschlossen hat, werde ich, na ja, mein neues Leben leben. Ich wollte die ganze Zeit mein altes Leben reparieren. Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es doch, oder? Ich sag dir was: Das klappt nicht. Die Lücke, die mein Bruder hinterlassen hat, ist zu groß. Ich glaube, man muss nach so etwas ganz neu anfangen. Aber, ja, langsam geht es etwas besser. Und was ist mit dir und deiner Mutter?»
    Ich ziehe Luisa wieder näher zu mir. «Geht schon. Schließlich habe ich dich in meinem neuen Leben.» Doch wenn wir Pech haben, wird dieses neue Leben nicht mehr lange dauern, und eine Menge von uns wird Sjöll auf dem Weg in die Welt der Toten folgen.
    Ich bin doch schon tot, habe ich mal zu Luisa gesagt. Damals war ich sicher, dass ich nicht weiterleben kann, wenn ich kein Wolf mehr bin. Und mit Luisa kann ich es nun doch. Mit Luisa zusammen zu sein, das ist, was Leben jetzt für mich bedeutet. Auf einmal will ich nicht mehr sterben, kein bisschen. Ich will leben, mit ihr. Ich frage mich, ob das Leben mir meinen Wunsch erfüllt oder mir noch einmal ins Gesicht spuckt wie damals beim Tod meiner Mutter.
    «Woran denkst du?», fragt Luisa. Ich spüre ihre Hand, die sanft und kühl wie Seide über meine Wange streicht, vorsichtig, um die frische Narbe nicht zu berühren. Ich werde nie mehr aussehen wie früher.
    «Den Eid. Wenn der nicht wäre, könnte ich davonlaufen. Ich würde dich ganz weit wegbringen von hier. Nur wir zwei. Wir könnten Berlin verlassen, wir könnten weg aus Deutschland, aus Europa.» Doch, aber das sage ich ihr nicht, wir wären überall Gejagte. Es gibt keinen Ort auf dieser Welt, an den der Arm der Shinanim nicht reicht.
    Elias wollte, dass wir fliehen. Doch wir müssen das Tor beschützen, und wenn es das Letzte ist, was wir tun. Könnte sogar gut sein, dass es tatsächlich das Letzte ist. Verfluchter Wolfseid.
    Luisa legt ihren Kopf an meine Schulter. Als könnte ausgerechnet ich ihr Schutz geben. Als wäre sie bei mir sicher und geborgen. Doch das ist sie nicht. Auch wenn es mich fast umbringt, ich werde sie wieder in Gefahr bringen. Ständig ist sie in Gefahr wegen mir.
    Ich könnte Luisa wegschicken und sie auf diese Weise aus allem heraushalten. Doch mittlerweile kenne ich sie so gut, dass ich weiß, sie will so sehr bei mir sein wie ich bei ihr. Das ist auch keine Lösung.
    Doch da ist Elias. Vielleicht kann er sie heraushalten aus dem, was sein wird. Sie liebt ihn auch, das weiß ich. Vielleicht kann sie irgendwann lernen, ihn mehr zu lieben als mich. Dann kann sie ohne mich weiterleben. Dann hat sie ihn. Und lebt.
    Luisa greift mir ins Haar und zieht meinen Kopf näher zu sich. «Ich liebe dich, vergiss das nicht!», flüstert sie mir ins Ohr.
    «Ich liebe dich», raune ich zurück, bevor wir uns küssen. Ich atme ihren Duft ein und fühle, wie Wärme durch meine Adern rinnt. Luisa hat ihre eigene Magie, die mir mindestens genauso viel Kraft gibt wie der Wolfskreis. Nein, Elias wird sie niemals kriegen.

[zur Inhaltsübersicht]
    53. Elias
    ICH war noch bei Jordan im Medienraum, der den Kontakt zu den Shinanim außerhalb Berlins hält. Jordan versucht, ihnen zu erklären, was hier passiert. Doch sie haben nie einen Werwolf getroffen. Sie haben nie miterlebt, wie scheinbare Menschen zu etwas anderem, Fremdartigem, vielleicht Tödlichem werden. Wie sollen sie verstehen, was hier vorgeht? Jordan kann nur immer wieder die Bilder von

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