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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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schreien. So menschlich diesmal, dass es mir die Gänsehaut über den Rücken treibt. Doch, wie immer sie sich auch anhören mag, sie ist kein Mensch. Schon lange nicht mehr.
    «Sie hat noch einen weiten Weg vor sich, zurück zum Menschsein», sagt Vittorio, der von der Tür aus alles beobachtet hat.
    Da kommt eine weitere Shinan angelaufen. «Die andere Wölfin hat sich befreit.»
    «Befreit, Sinja?», fragt Esther.
    Noch eine Wölfin also. Haddrice war die Einzige, die sich während des Kampfes in einen Menschen verwandelt hat. Eine andere Werwölfin werde ich in menschlicher Gestalt nicht erkennen. Es wird eine fremde Wölfin sein. Diesmal habe ich mich besser im Griff. Diesmal werde ich nicht vor lauter Sorge, die Werwölfin könnte Luisa sein, unüberlegt handeln. Luisa ist vielleicht gar nicht beim Rudel. Wer weiß, wohin sie damals verschwunden ist. Diese Werwölfin, die sich angeblich befreit hat, ist mir wahrscheinlich vollkommen fremd. Ich weiß nicht mal, wie viele von den Werwölfen Wölfinnen waren. «Was ist passiert?»
    «Uns wurde gesagt, dass sie genau wie die andere Werwölfin in Netzen und Seilen eingewoben sei. Doch als wir sie aus ihrem Transportkasten holen wollten, hatte sie sich bereits mit irgendeinem Trick von ihren Fesseln befreit!», berichtet die Shinan, die, wie ich mir zu merken versuche, Sinja heißt. «Zum Glück hat das Sonnenlicht sie anscheinend geschwächt, bevor sie uns angegriffen hat. Wir konnten entkommen und die Tür verriegeln.» Sie streift mich mit einem Blick.
    «Das ist Elias», beantwortet Esther die lautlose Frage. «Der Elias, der bei der Gregorius-Mission dabei war und auch auf dem Teufelsberg gegen das Rudel Werwölfe gekämpft hat.»
    «Tatsächlich, du bist der erfahrenste Wolfskämpfer der Shinanim. Jetzt bin ich beruhigt. Was sollen wir mit der Werwölfin machen? Wir wissen nicht, wie wir sie wieder unter Kontrolle bekommen.»
    Sie haben recht, ich bin hier der Werwolfsexperte. Und jetzt ist meine Chance, den Obersten zu beweisen, welchen Wert ich für sie habe. «Ich werde mich um die Sache kümmern.»
    «Den Gang hier entlang und dann um die Ecke.» Sinja nickt und eilt voraus. Was wird mich erwarten? Wie schütze ich mich? Welche Waffen kann ich einsetzen, ohne die Werwölfin zu töten?
    Der Shinan, der vor dieser Tür steht, tritt beiseite, als ich komme. Ich stelle mich vor die Tür und lausche. Nichts. Da diese Werwölfin nicht an das Kreuz gebunden ist, das die Verwandlung verhindert, wird sie ein Wolf sein. Ich reiße den Schieber vor dem Guckfenster mit einem Ruck zurück, blicke hindurch, und da steht sie, ganz Mensch. Sie dreht mir den Rücken zu, umschwebt von Schatten, und ich erkenne sie trotzdem sofort. Es hat nichts genützt, mir etwas vorzumachen. Es ist Luisa. Was hab ich anderes erwartet? Nein, sie hat sich nicht aus dem Staub gemacht, ist nicht zur Vernunft gekommen und hat sich entschieden, Mensch zu bleiben. Ich war so naiv. Luisa ist Thursens Freundin. Und Thursen ist der Anführer der Werwölfe. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie eine von ihnen wurde. Wenn diese gefräßigen dunklen Schatten nicht wären, könnte man sie noch für den Menschen halten, der sie mal war. Sie steht da, ganz ohne Fesseln, und wendet sich langsam zur Tür um. Das ist wirklich Luisa. Oder besser gesagt, der Werwolf, der mal Luisa war. Ich drehe den Schlüssel im Schloss und öffne die Tür.
    «Was machst du da?», fragt Esther.
    «Ich geh rein.»
    «Ohne Waffen? Ohne Schutz? Die Wölfin ist nicht gesichert!», sagt Sinja.
    Verstohlen wische ich meine schweißnassen Hände an der Hose ab. «Ich weiß.»
    «Wenn einer mit diesem fehlgeleiteten Ding fertigwird, dann wohl Elias», höre ich Vittorios Stimme. «Brauchst du Waffen, Elias? Sinja, du begleitest ihn!»
    «Nein.» Ich will nicht eine Shinan vor Luisa schützen müssen. Ich will mich nicht entscheiden müssen, wen von beiden ich womöglich verletze, wenn es zum Kampf zwischen uns kommt. Und vielleicht will ich es auch darauf ankommen lassen. Ich will wissen, ob sie jetzt, als Werwölfin, tatsächlich versuchen wird, mich zu töten. Ich muss, logisch betrachtet, davon ausgehen. Als Shinan bin ich ihr Erzfeind. Und nicht nur das, bei unserer letzten Begegnung, als sie noch Mensch war, hat sie mich ohne Skrupel benutzt, um den Werwölfen einen Vorteil zu verschaffen. Sie muss mich wirklich hassen.
    Doch alles in mir wehrt sich, das zu glauben. Die Hoffnung, dass Luisa sich im richtigen Moment bewusst

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