Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
vergessen zu haben.
Das Telefon klingelte.
Er ignorierte es. »Kommen Sie her.«
Sie gehorchte. Eine andere Wahl hatte sie nicht. Doch Lucas griff nur mit seiner linken Hand nach ihrem rechten Ellenbogen, das Gewehr schussbereit in seiner rechten Hand. Er drückte ihr die Mündung in die Rippen, und sie verzog das Gesicht.
»Wir machen einen kleinen Spaziergang. Gehen Sie mit mir, leisten Sie keinen Widerstand, dann muss ich diesen Abzug auch nicht betätigen, verstanden?«
»Ja.«
Er umklammerte ihren Ellenbogen, und sie gingen vorsichtig um die anderen Geiseln herum. Pauls Blut auf dem Boden wies mittlerweile einen gelben Heiligenschein auf, als sich das Serum von den roten Blutzellen getrennt hatte. Sie warf den Sicherheitsleuten einen erschrockenen Blick zu; deren unverhohlene Wut tat ihr in den Augen weh. Der Hund knurrte. Das Telefon klingelte immer noch.
Die Schalter waren ebenfalls aus Marmor, mit Goldverzierungen wie der Rest der Lobby. Hinter den herrlichen Gitterwänden befanden sich die Bankschalter mit den üblichen Arbeitsutensilien: Klebebandabroller, Tacker, Stempel in allen Formen und Größen, gerahmte Fotos von hinreißenden Kindern. Die dritte Schublade von oben war in jedem Schalter aufgebrochen, die Schlösser verbogen, bis auf einen. Cherise’ Arbeitsplatz, vollständig mit Namensschild und einem Foto von ihr und einem Freund vor einem Strand. Ihr Rollcontainer war unbeschädigt.
Theresa nahm dieses Bild in sich auf, als sie an dem Schalter vorübergingen. Lucas trieb sie hinter die Schalter in die ummauerte, enge Ecke dahinter. Da roch Theresa es schon. Verbranntes Schießpulver, der Zinngeruch nach Blut.
Auf einem abgetretenen Teppich, direkt unter einem Stapel Computerausdrucke und einer halbleeren Kaffeetasse, war die junge Frau auf dem elastischen Teppich verblutet. Das war also die vermisste Cherise.
13:00 Uhr
Patrick hatte sich noch nie im Leben so hilflos gefühlt. In die Bibliothek zurückzukehren und auf dem Monitor zu sehen, dass Theresa nicht mehr bei den Geiseln saß, war furchtbar gewesen. Cherise war in dieselbe Richtung verschwunden und nicht wiedergekommen. Paul war vor ihren Augen angeschossen worden, oder besser gesagt, vor den kalten Schwarz-Weiß-Augen der Kamera. Jetzt Theresa, und er konnte nichts, absolut gar nichts dagegen unternehmen. Er hätte da drüben bleiben sollen. Nein, er hätte hierbleiben und Cavanaugh dazu bewegen sollen, Lucas abzulenken. »Warum haben Sie nichts getan?«
»Ich habe angerufen. Er hat das Telefon ignoriert. Aber es geht ihr gut. Ihre Stimme ist immer mal wieder zu hören.«
»Vielleicht sollten die Scharfschützen langsam eingreifen. Oder das Einsatzteam. Oder die 101. US -Luftlandedivision.«
»Die Scharfschützen sind bereit«, sagte Cavanaugh. »Sie hätten schon hundert Gelegenheiten gehabt, Lucas zu erwischen, aber Bobby bleibt immer außer Reichweite. Er könnte einige der Geiseln erschießen oder das RDX zünden, wo auch immer sie es aufbewahren. Für Amateure waren sie bisher ganz schön vorsichtig.«
»Wissen wir denn sicher, dass sie Amateure sind?«, fragte Assistant Chief Viancourt.
»Im Moment wissen wir so gut wie gar nichts.«
Jason beendete ein Handytelefonat, das offenbar so lange gedauert hatte, dass nun ein roter Abdruck auf seinem Gesicht leuchtete. »Lucas Winston Parrish wurde vor fünf Jahren bei einer Explosion während eines Übungseinsatzes in Deutschland verletzt. Er war auf einer Basis dort stationiert. Er hat immer noch einige Schrapnellstücke in seinem Oberkörper.«
Patrick seufzte. »Theresa hat’s geahnt.«
»Vielleicht«, erwiderte Cavanaugh. »Was noch?«
»Er hat beim Militär angegeben, dass seine Eltern tot sind, und das Gefängnis sagte, dass er nur einen Besucher während der fünf Jahre in Atlanta hatte – seine Schwester. Sie lebt in North Carolina und geht nicht ans Telefon.«
Cavanaugh massierte sich das Gesicht. »Was hat er in der Armee gemacht?«
»In der Waffenkammer gearbeitet.«
»Er kennt sich also mit Waffen aus. Und zumindest den Grundlagen von Sprengstoffen.«
»Ich wüsste zu gern, woher er diese beiden Gewehre hat.« Patrick nickte in Richtung des Monitors. »Das ist ganz schön viel Schusskraft für jemanden, der gerade erst aus dem Knast entlassen wurde.«
Cavanaugh fragte seinen Assistenten: »Hat Atlanta was darüber gesagt, ob er und Bobby Freunde waren?«
»Keiner dort wusste von etwas. Von den festen Wachmännern dieses Zellenblocks ist einer auf
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