Schattenelf - 4 - Feuerzauber
zusammengetrieben und werden morgen früh damit beginnen, jeden Tag einen von ihnen hinzurichten, bis Ihr ins Tal herunterkommt.« Damit verbeugte sich der Mann, machte kehrt und begann, die Stufen wieder hinuntersteigen. Er ließ einen verdutzten und erschrockenen Pagonel zurück, der ihm mit versteinerter Miene von der Brücke aus nachstarrte.
Meister Cheyes trat zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Wie konnte ich mich nur so irren?«, fragte Pagonel.
»Du bist deiner Vision gefolgt. Es kann also kein Irrtum vorliegen. Das ist die Grundlage unseres Selbstverständnisses. Du trägst die Schärpe aller Farben, die du dir zu Recht verdient hast, deshalb musst du deinem inneren Gefühl folgen, was immer die Folgen sein mögen.«
»Die Folgen für mich oder für die Gesamtheit der Ordensmitglieder?«
»Für beide«, antwortete Cheyes. »Deine Vision und das Schicksal haben diese Auseinandersetzung zu uns getragen, aber wären die Chezhou-Lei nicht ohnehin hierher gekommen, sobald sie erkannt hätten, dass dein Herz im Kampf gegen die Yatols für die To-gai-ru schlägt? Die derzeitige Inkarnation des Chezru-Häuptlings hat unbestreitbar einen gewissen Hang zu Eroberungen an den Tag gelegt – wieso sollten wir also glauben, wir würden davon ausgenommen bleiben? Möglicherweise können wir uns mit diesem Kampf besser verteidigen, als wenn sämtliche Heere Behrens ihre Elitekämpfer zusammengerufen hätten, um gegen die Wolkenfeste zu marschieren.«
»Dann bist du also der Meinung, wir sollten kämpfen?«
»Es scheint mir das Richtige zu sein«, erwiderte Meister Cheyes.
Noch am selben Nachmittag eilte ein Mystiker der Jhesta Tu die Stufen hinunter bis zum Grund des Tals, um sich einen Überblick über die dort versammelten Chezhou-Lei zu verschaffen. Die drei Meister der Wolkenfeste waren dagegen, sämtliche Jhesta Tu hinunter in die Schlacht zu schicken, obwohl alle Mystiker einen dahingehenden Wunsch geäußert hatten. Aber die Meister hatten über die unmittelbare Gegenwart hinauszublicken und wussten, dass unabhängig vom Ausgang der Geschichte unten im Tal vor allem der Fortbestand des Ordens gesichert werden musste.
»Dies ist ebenso mein Kampf wie der Eure«, protestierte Brynn, als man ihr mitteilte, ihre Teilnahme an der Schlacht sei nicht erwünscht. Ihre Wunden waren längst verheilt – ein Beweis für die Kräfte des Pauri-Baretts, aber auch für die ausgezeichnete Pflege der Jhesta Tu –, und sie fühlte sich mehr als bereit, sich wieder ins Gefecht zu stürzen.
»Ist er nicht«, erwiderte Pagonel knapp.
»Ihr selbst habt mich doch beschützt!«
Der Mystiker lachte amüsiert. »Die Schlacht von Dharyan hat damit nichts zu tun«, erklärte er. »Dies hier dient nur als Vorwand, um einen seit Jahrhunderten schwelenden Streit wieder auflodern zu lassen, der begann, lange bevor Ihr Euren ersten Sonnenaufgang gesehen habt, und der noch lange nicht beendet sein wird, nachdem Ihr Euren letzten gesehen haben werdet.«
»Ich kann ebenso gut kämpfen wie die meisten …«, begann sie zu widersprechen.
»Genauso gut wie alle anderen, mit Ausnahme meiner Wenigkeit, sowie von Cheyes und Dasa«, räumte der Mystiker lächelnd ein.
Es war ein Lächeln, das Brynn nicht zu entwaffnen vermochte, nicht in diesem Moment. »Dann erlaubt, dass ich an Eurer Seite kämpfe«, sagte sie. »Ich habe mich in all den Wochen hier ernsthaft bemüht, etwas zu lernen.«
»Ihr seid keine Jhesta Tu«, erwiderte Pagonel. »Ihr könntet eine sein, und vielleicht verspürt Ihr ja eines Tages auch den Wunsch danach. Aber jetzt seid Ihr nur als Gast hier, und aus eben diesem Grund ist es nicht Euer Kampf. Zumal ich befürchte, dass Ihr mit einem Engagement hier Euren eigenen Zielen schaden würdet. Oder habt Ihr die etwa schon aus dem Blick verloren, da Ihr so bereitwillig dort hinuntersteigen und Euch den mächtigsten Gegnern stellen wollt, die der Chezru-Häuptling aufzubieten hat?«
Brynn reckte entschlossen das Kinn vor. Sie hätte dieser schlichten Logik zu gern etwas entgegenzusetzen gewusst.
Wenig später verließen fünfundsiebzig Mystiker, angeführt von Meister Cheyes und Meister Pagonel, unter den Augen von Meisterin Dasa die Wolkenfeste, die ihnen zusammen mit der neben ihr stehenden Brynn Dharielle von der Brücke aus nachschaute.
Brynn Dharielle rückte von Meisterin Dasa ab und machte keinen Hehl aus ihrer Wut und Enttäuschung, vor allem aber nicht aus ihrem Bedürfnis, alleine zu sein. Sie
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