Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfluegel

Schattenfluegel

Titel: Schattenfluegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
du einen Moment?«, fragte sie und deutete mit dem Kinn auf die Eingangstür der Schule.
    »Klar.« Lukas’ Blick lag schwer auf ihr. Seine Schultern sanken ein Stück nach unten und er nahm die Hände aus den Hosentaschen. Das Lederband spannte sich so eng um sein Handgelenk, dass es aussah wie eine feine, tätowierte Linie.
    Ob er ahnte, was sie ihn fragen wollte?
    Gemeinsam gingen sie auf den Schulhof und stellten sich in eine Ecke, die von ein paar verkümmerten Büschen vor neugierigen Blicken geschützt wurde. Wahrscheinlich dachten die anderen jetzt, dass sie zum Knutschen hierhin gegangen waren. Aber das war Kim gerade eigentlich völlig egal.
    Fieberhaft überlegte sie, wie sie Lukas am besten erklären sollte, was sie von ihm wollte.
    »Du willst wissen, was das am Samstagabend zu bedeuten hatte, nicht wahr?«, kam Lukas ihr zuvor.
    Jetzt steckte Kim die Hände in die hinteren Hosentaschen. Einer ihrer Ellenbogen berührte die Backsteinmauer. Sie trat einen winzigen Schritt auf Lukas zu. Er rührte sich nicht.
    »Ja«, sagte sie.
    Gedankenverloren tastete er über seine Prellung. Allein ihm dabei zuzusehen, tat Kim schon weh, aber er schien keine Schmerzen zu empfinden. »Es ist ein bisschen schwer, das zu erklären …«, sagte er gedehnt.
    »Ich habe Zeit«, behauptete Kim, doch die Schulglocke, die in diesem Moment zur ersten Stunde läutete, zeigte, dass das eine glatte Lüge war.
    Lukas holte tief Luft. »Wenn du es wirklich wissen willst, dann komm heute Nachmittag mit mir wohin.«
    »Wohin«, wiederholte Kim. Es war ein fragendes, verständnisloses Echo.
    Nun lächelte Lukas. »Ich möchte dir jemanden vorstellen. Und dann erzähle ich dir ein bisschen was über mich, okay?«
    Kim zögerte. Ein paar Nachzügler schlenderten an ihnen vorbei, die es nicht besonders eilig zu haben schienen. Wenn sie jetzt nicht ging, würde Kim zu spät zum Unterricht kommen. »Erzählst du mir dann auch, warum du so oft von zu Hause abgehauen bist?«
    Jetzt verzog Lukas schmerzlich das Gesicht. »Wenn du willst.« Er schien nicht besonders glücklich bei diesem Versprechen zu sein, aber Kim war sich trotzdem sicher, dass er es halten würde. Diesmal würde er ihr alles erzählen, was sie wissen wollte.
    Bei dem Gedanken wurde ihr ein bisschen warm ums Herz. Langsam nickte sie. »Wo treffen wir uns?«
    »Ich habe heute nur sechs Stunden und du?«
    »Acht.«
    Lukas starrte an der Schulfassade nach oben, während er überlegte. »Dann hast du um halb drei Schluss. Ich hole dich um vier bei dir zu Hause ab, einverstanden?«
    Die Schulglocke läutete ein zweites Mal. In diesem Moment begann Kims Matheunterricht. Eilig nickte sie, dann verabschiedete sie sich und rannte über den Schulhof zurück.
    Kurz bevor sie die Eingangstür erreicht hatte, warf sie einen Blick über die Schulter.
    Lukas stand noch immer an derselben Stelle, halb verborgen von den Büschen.
    Und über sein Gesicht glitt ein leises Lächeln.
    Um kurz vor vier am Nachmittag rief Kim noch einmal bei Frau Gottwald an. Es gab nichts Neues von Marie. Weder hatte sie sich gemeldet noch hatte die Polizei irgendwelche Schritte unternommen. Kim war frustriert und besorgt, doch diese Empfindungen traten schnell in den Hintergrund, als draußen vor dem Haus eine Hupe ertönte.
    Sigurd war nicht zu Hause und Kim war froh darüber. Sie hatte keine Lust, mit ihm zu diskutieren, ob er ihr den Ausflug mit Lukas verbieten durfte oder nicht. Es war klar, dass er das nach der Sache am Samstagabend zumindest versucht hätte. Mit Sicherheit hätte es wieder Streit gegeben. Da war es so schon viel besser. Wenn Kim Glück hatte, würde sie sogar wieder zurück sein, bevor Sigurd nach Hause kam.
    Draußen hupte es erneut. Rasch griff Kim nach ihrer Jacke und schlüpfte in die Ballerinas, die sie sich erst letzte Woche gekauft hatte. Kurz dachte sie noch einmal an Marie und überlegte, wo sie im Moment wohl war. Doch als sie die Haustür hinter sich zuzog und Lukas sah, vergaß sie alles andere.
    Lukas saß am Steuer eines ziemlich klapperigen roten Golfs. Das Fenster hatte er heruntergekurbelt, den Arm lässig auf den Rahmen gelegt. Breit grinste er Kim an.
    Sie lief zu ihm und musterte den Wagen. »Du hast ja doch den Führerschein!«, rutschte es ihr heraus. Wieder wurde ihr bewusst, dass er schon neunzehn war.
    Lukas nahm den Arm aus dem Fenster. »Ich habe nie das Gegenteil behauptet!« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf den Beifahrersitz. »Steig ein!«
    Kim umrundete

Weitere Kostenlose Bücher