Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
schlecht«, meinte Laurel bedächtig, »für einen Mann.« An Ishmael gewandt sagte sie: »Ist es Vater gelungen, sie hinzuhalten? Dann sollte ich besser gehen und eine Beschäftigung für Lavender finden. Es ist zu spät, um sie wieder auszuschicken, und ich sollte mich wegen des Dinners mit der Haushälterin besprechen.« Sie rauschte aus dem Raum.
Ishmael umfasste Balthasars Hände. »Schön, Sie wiedergefunden zu haben«, bemerkte er und setzte sich. »Haben Sie es zum Herrenhaus geschafft?« Seit seinem sechzehnten Lebensjahr war er nicht mehr in der Lage gewesen, Haus Strumheller als sein Zuhause zu bezeichnen, so sehr seine Schwester ihn deswegen auch tadelte.
»Mit Verzögerung. Mycene wartete am Bahnhof«, antwortete Balthasar, und die Anspannung um seinen Mund verriet, was sein beherrschtes Gesicht zu verbergen suchte. »Sie haben mich verhört.« Das war kein geringes Martyrium für einen Mann, der vor weniger als einer Woche bei einer Befragung fast zu Tode geprügelt worden war. »Sie gaben vor, mir nicht zu glauben. Dann haben sie mich zum Herrenhaus gebracht und erklärt, Sie hätten es irgendwie geschafft, sich an ihnen vorbeizuschleichen. Es war ohnehin kurz vor Sonnenaufgang.« Also hatten Reynard und Noellene das zweifelhafte Vergnügen gehabt, Mycene und seinen Trupp einen Tag lang zu unterhalten. »Ihre Schwester war großzügig und überaus erleichtert zu erfahren, dass die Berichte über Ihren Tod nur ein Irrtum waren. Ihr Bruder trat als tadelloser Gastgeber auf. Er hat mir eine Nachricht für Sie mit auf den Weg gegeben und sagte, diesmal würde er das Erbe vor Gericht regeln.«
»Ah, nun, das überrascht mich nicht«, entgegnete Ishmael. »Mein Bruder ist kein schlechter Mensch, er wurde nur zu oft enttäuscht.« Selbst die von ihrem Vater arrangierte Ehe Reynards war eine Enttäuschung gewesen. Nach zehn Jahren der Kinderlosigkeit und der zunehmenden Entfremdung hatte seine Frau auf einer Scheidung bestanden. »Ich bin wie eine dieser Gassenkatzen. Gerade wenn man meint, mich zum letzten Mal gepeilt zu haben, tauche ich wieder auf.«
»Ihre Schwester hat ihrer Enttäuschung Ausdruck verliehen, dass Sie Ihrem Bruder keinen persönlichen Brief geschrieben haben.«
Dies entlockte ihm ein Grinsen: Bei Noellenes Geburt war Ishmael sechzehn gewesen. Sie hatte die Schönheit und Kultiviertheit ihrer aus der Stadt stammenden Mutter geerbt. Aber sie war durchaus ihres Vaters Tochter, wenn es darum ging, ihren Gedanken unverblümt Ausdruck zu verleihen, wenn man sie ernsthaft erzürnte. Was den Brief betraf, hatte sie wahrscheinlich recht, aber nun war es nicht mehr zu ändern. »Sie konnten es genauso gut erklären wie ich. Und dann sind Sie heute Nacht auch noch hergekommen. Es war ein harter Ritt, nicht wahr?«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich mich an die letzte Hälfte erinnern würde«, gab Balthasar zu. »Ich habe mich nur darauf konzentriert, nicht aus dem Sattel zu fallen.«
»Keine geringe Leistung in dieser Gesellschaft. Also, ich habe Neuigkeiten für Sie, und es sind keine guten. Ich denke, Stranhorne und ich müssen beide Ihre Meinung dazu hören – wenn man bedenkt, dass Sie mehrere Amtszeiten im Interkalaren Rat tätig waren und Seite an Seite mit einer Lichtgeborenen leben.«
»Floria, ja.«
»Dies betrifft Ihre … « Er war sich nicht sicher, wie er Balthasars Beziehung zu seiner Nachbarin bezeichnen konnte oder sollte. Sie waren so intim, wie ein Mann und eine Frau es sein konnten, die sich niemals in Person begegnen würden, so viel wusste er. Und er wusste, was Balthasars Ehefrau diesbezüglich empfand. »Mistress Floria«, sagte er schließlich und schob seine Verlegenheit beiseite, »da sie zur Leibwache des lichtgeborenen Prinzen gehört. Isidore ist tot.«
» Tot? Wie?«
»Die Lichter in seinen Räumen haben während der Nacht versagt.«
»Das ist unmöglich!«, entgegnete Balthasar. »Die Lichter des Prinzen werden von mehreren Magiern verzaubert. Sie hätten nicht versagen können – nur, wenn all diese Magier zur gleichen Zeit gestorben wären.«
»Oder die Magie freigelassen oder aufgehoben worden wäre.«
»Das ist nicht möglich«, beharrte Balthasar.
»Es sei denn, der Tempel hätte Prinz Isidore seinen Schutz entzogen.«
»In der ganzen Geschichte des Paktes hat der Magiertempel nur ein einziges Mal Verträge mit einem Prinzen gekündigt, aber mit zahlreichen Vorwarnungen und erst, nachdem dieser auf ekelhafte Weise Magie und Magier missbraucht
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