Schattengefährte
vermutete dahinter den festen Entschluss, sie ans Messer zu liefern.
Sie beugte sich vor und wies die beiden Frauen mit einer hastigen Handbewegung aus der Kammer. Scheu schlichen sie an Alina vorbei, duckten sich noch an der Pforte, als fürchteten sie, aus dem leuchtenden Haar der Königtochter könnten Blitze auf sie fahren.
»Hör mir zu, Alina«, sagte Nessa, als sie allein waren. »Ich weiß, dass auch du in Schwierigkeiten bist – also lass uns beide zusammenhalten. Ein Gefallen ist des anderen wert, meinst du nicht?«
Der Blick ihrer Stiefmutter war jetzt durchdringend, Nessa spielte ihren letzten Trumpf aus, und sie schien sicher zu sein, dass er stach.
»Wovon redest du?«
»Ich kann dir etwas beschaffen, das für dich von großer Wichtigkeit ist.«
Alina horchte auf. Log sie ihr etwas vor? Was konnte ihr Nessa wohl beschaffen?
Nessa hatte gesehen, dass ihre Worte Eindruck hinterlassen hatten, und ein triumphierendes Grinsen huschte über ihre Züge. Gleich darauf hatte ihr Ausdruck etwas Lauerndes, wie ein Fuchs, der verharrt, bevor er sich auf die Beute stürzt.
»Dafür verlange ich jedoch, dass du bei deinem Vater für mich sprichst. Solange Angus lebt, will ich an seiner Seite Königin sein, nach seinem Tod magst du das Land beherrschen.«
Aha – sie hatte Furcht, von Angus verstoßen zu werden, und versuchte nun zu retten, was noch zu retten war. Alina zögerte, denn sie hatte eine vage Vermutung. Dennoch passte es ihr nicht, mit dieser widerwärtigen Person einen Bund einzugehen.
»Ich werde meinen Vater nicht belügen, Nessa!«
»Das verlange ich auch nicht. Nemed war es, der sich zum Herrscher machen wollte, nicht ich. Du weißt, dass ich deinem Vater stets treu ergeben war – niemals hätte ich daran gedacht, ihm durch meine Tränke zu schaden. Das ist eine boshafte Verleumdung, die du nicht glauben darfst.«
Wie sie kämpfte, dieses tückische Weib. Nemed war tot und konnte nicht mehr widersprechen – also schob sie ihm die Verantwortung zu. Auf der anderen Seite war Alina neugierig, was Nessa zu bieten hatte.
»Es ist etwas sehr Wertvolles, und ich gebe es nur preis, wenn du mir einen feierlichen Schwur leistest, bei deinem Vater ein gutes Wort für mich einzulegen. Er liebt dich, Alina. Dein Wort wiegt viel und kann die Verleumder zum Schweigen bringen.«
»Erst will ich wissen, was du mir dafür geben kannst!«
Nessa schien kurz zu überlegen, dann verzog sich ihr feistes Gesicht, und sie hatte tatsächlich den Ausdruck einer Füchsin.
»Den Feenbogen!«
»Du lügst«, entfuhr es Alina. »Dein Bruder hat ihn zerstört.«
Die Augen der Füchsin blitzten sie angriffslustig an, Nessa kicherte hämisch.
»Das hat man dir erzählt? Schau an, das Gesinde hat scharfe Augen, doch an Verstand mangelt es ihnen leider. Es ist wahr, Nemed brachte den Bogen an sich, auch einige der Feenpfeile hat er nach dem Drachenkampf aufgesammelt, und obgleich ich ihm davon abriet, wollte er beides heimlich erproben. »
»Und? Was geschah mit dem Bogen?«
»Erst will ich deinen Schwur hören, Alina!«
Sie zögerte, doch dann überlegte sie bei sich, dass ihr Vater selbst wissen musste, ob er Nessa noch trauen konnte oder nicht. Schließlich hatte er die Wirkung ihrer Tränke am eigenen Leibe verspürt.
»Also gut. Ich schwöre, ein gutes Wort für dich einzulegen. Du warst ihm eine treue Ehefrau und hast die Burg in seiner Abwesenheit verwaltet, das ist die Wahrheit. Mehr aber auch nicht, denn ich werde meinen Vater nicht belügen.«
»Du schwörst es mir feierlich? Auf dein Feenhaar und den Namen deiner Mutter?«
Jetzt reichte es Alina. Überhaupt war dieser Schwur überflüssig, denn sie konnte sich wohl denken, wer den Feenbogen hatte.
»Lass den Namen meiner Mutter aus dem Spiel, Nessa«, drohte sie. »Ich habe geschworen – das muss dir genügen.«
»Gut – ich will damit zufrieden sein«, gab Nessa grämlich zurück. »Daraus magst du ermessen, wie sehr ich dir vertraue, Alina.«
»Also?«, forderte Alina und zog die Augenbrauen hoch.
Nessa faltete die Hände vor dem Bauch, sie hatte Mühe damit, denn ihre Finger waren so dick, dass sie sich nur schlecht ineinander legten.
»Nemed war übel zugerichtet, als er zurückkam. Ein grauer Wolf habe ihn angesprungen, dann sei wie aus dem Nichts ein gewaltiger Ast in den Weg hineingewachsen und habe ihn vom Pferd gefegt. Am Boden liegend, hätten ihn dort Blattwerk und Gebüsch festgehalten, und er hätte das boshafte Gelächter der
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