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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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übrigen Raben, das Federkleid glatt und von schimmernder Schwärze, die langen Krallen in den vereisten Fels geschlagen. Der Körper der Rabengöttin war ohne Bewegung, den Kopf hielt sie seitlich gewandt, das rotglühende rechte Auge war auf die langsam heranreitende Fee gerichtet.
    Alina zügelte die Stute in einigem Abstand, ihre Hand hielt den Pfeil auf der Sehne fest, doch immer noch war der Bogen nicht gespannt.
    »Herrin der Rabenkrieger!«, sagte sie laut in die gespannte Stille hinein. »Ich komme, um von dir zu fordern, was mein ist. Zahllose schwarze Vögel dienen dir – einer von ihnen aber gab seinen Dienst auf. Fandur gehört dir nicht mehr – lass ihn also ziehen.«
    Die große Räbin wandte ruckartig den Kopf, wie die Raben es tun, und blickte die Fee für eine kurze Weile mit beiden Augen an. Heiß und schmerzhaft drang der machtvolle Blick der Göttin in Alinas Körper hinein, ließ sie erzittern und nahm ihr die Fähigkeit zu denken. Doch dann spürte sie den raschen, starken Schlag ihres eigenen Herzens, und sie überwand ihre Schwä-che.
    »Du bist mutig, kleine Fee«, hörte sie eine weiche, heisere Stimme. »Du zielst mit deinem zarten weißen Pfeil auf mich. Aber denke nicht, dass er mich treffen könnte, denn ich trage eine Rüstung, die keine Feenwaffe durchdringt.«
    Hatte tatsächlich die boshafte Morrigan gesprochen? Dieses Rabenweib, das sie mit ihrem durchdringenden Schrei zu Tode erschreckt hatte? Es klang so harmlos, nicht schnarrend wie eine Räbin, sondern fast wie ein Menschenwesen.
    »Ich werde nicht auf dich schießen, wenn du meine Forderung erfüllst!«
    Die Räbin bewegte zuckend den Kopf, blickte in alle Richtungen und spreizte die Flügel ein wenig, als müsse sie sich aufplustern. Die schwarzen Vasallen hatten sich inzwischen überall niedergelassen, Felsen und Bäume waren dicht besetzt, auch am Boden hockten sie und glotzten begehrlich auf Mähne und Schweif der Stute, mehr aber noch auf Alinas rotgoldenes Feenhaar.
    »Du willst deinen Liebhaber zurückhaben, kleine Fee?«, fragte die Morrigan mit geschmeidig weicher Stimme, und es klang, als schwänge ein wenig Mitleid in dieser Frage mit. »Nun, ich will großmütig sein – du kannst ihn haben.«
    Ungläubig ließ Alina den Bogen sinken. So einfach also war es, die Feindin gab nach, wich vor ihr zurück, erfüllte die Forderung. Meinte sie das im Ernst, oder war es eine Falle?
    »Schau dir meine Krieger an – wenn du Fandur unter ihnen erkennst, dann gebe ich ihn frei. Sei aber vorsichtig, denn wenn du den Falschen auswählst, ist mein Angebot verfallen.«
    Ratlos sah sich Alina um. Zahllose Rabengesichter starrten sie an, schwarze, gebogene Schnäbel hoben sich ihr entgegen, blanke und samtige Augen waren auf sie gerichtet, gierig, höhnisch, lockend, voller Geilheit. Welcher war Fandur? Früher hätte sie ihn an der weißen Feder erkannt, doch er trug nicht mehr das alte Rabenkleid, das hatte die Göttin ihm genommen, und vermutlich lagerte es bereits als schmales Bündel in einer Zwergenkammer.
    »Nun!«, höhnte die Morrigan, und ihre Stimme klang nun nicht mehr weich, sondern sie war von boshafter Schärfe. »Ist die Liebe einer Fee so schwach, dass sie sich des Geliebten nicht mehr erinnern kann? Wie willst du ihn erlösen, kleine Fee, wenn deine Augen ihn nicht sehen?«
    Zorn brandete in Alina auf, denn sie wusste nun um die Hinterlist der Göttin.
    »Keiner von ihnen ist Fandur!«, rief sie. »Gib ihn heraus – wo immer du ihn verborgen hast, sonst werde ich dich verfolgen bis ans Ende aller Tage!«
    Ein schrilles Gelächter war die Antwort, krächzend und schnarrend fielen die Krieger in das Hohnlachen ihrer Herrin ein, duckten sich und streckten zischend die Schnäbel vor, scharrten mit den Krallenfüßen auf dem eisigen Grund.
    »Dann suche deinen Fandur bis ans Ende aller Tage, kleine Fee. Du wirst ihn nicht finden, denn deine Augen sind blind.«
    »Du bist es, die blind ist – nicht ich!«, rief Alina in heller Wut, und sie hob den Feenbogen. Blitzschnell spannte sie die goldene Sehne, der Pfeil schnellte vor, weiß gefiedert und glatt durchschnitt er die Luft und drang in das rechte Auge der Räbin.
    Die Erde schien zu beben unter dem wilden Schmerzensschrei der Kriegsherrin, ringsum erhoben sich die Rabenkrieger wie eine schwarz gefiederte Wolke, umflatterten krächzend die mutige Schützin, streckten die scharfen Schnäbel, reckten die gebogenen Krallen. Alina jedoch spürte nichts davon. Von

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