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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Stunden nicht gestört werden!«
    Kein Wunder, diese boshafte Hexe hatte ihm gewiss hart zugesetzt. Wie dumm war sie gewesen, nicht gleich mit dem Vater zu sprechen. Sie hatte Rücksicht auf seine Erschöpfung, seine trübe Stimmung genommen – Nessa kannte solche zärtlichen Empfindungen nicht, sie nutzte es gnadenlos aus, wenn ihr Mann eine Schwäche zeigte.
    »Du hast Grund zur Freude, Alina«, begann Nessa ihre Ankündigungen. »Dein Vater und ich sind der Meinung, dass du nun erwachsen bist und die Hoffnungen erfüllen kannst, die wir in dich gesetzt haben.«
    Alina ahnte, dass sie keinesfalls Anlass zur Freude haben würde, aber sie schwieg vorerst. Nessas Blick glitt neugierig durch den kleinen Raum, denn sie hatte dieses Gemach lange nicht mehr betreten. Abschätzig überflog sie das Bett, die geöffneten Truhen mit Tüchern und Gewändern, die kleinen Schätze, die Alina auf ihrem Tischlein ausgebreitet hatte. Über die immer noch geöffneten Fensterflügel verlor sie kein einziges Wort mehr, obgleich in diesem Augenblick ein weiterer Donnerschlag das nahende Gewitter ankündigte.
    »Ein junge Königstochter muss eine Menge lernen, denn ihre Aufgaben an der Seite des Herrschers sind vielfältig«, sagte sie in mildem, belehrendem Ton. »Dein Vater und ich sind sehr froh darüber, in Ogyn einen guten Lehrer für dich gefunden zu haben …«
    »Er ist kein guter Lehrer!«, platzte Alina dazwischen. »Auf keine Frage weiß er eine Antwort!«
    Nessa ignorierte diesen Einwand und fuhr ungerührt fort. Die Sanftmut, zu der sie sich zwang, passte denkbar schlecht zu ihr und Alina war neugierig, wie lange es die Wölfin in diesem Schafspelz wohl aushalten würde.
    »Darüber hinaus aber muss eine Königin sich auch in der Haushaltsführung auskennen, denn das Wohl ihres Ehemannes und der Burggemeinschaft liegt in ihren Händen. In dieser Kunst werde ich selbst dich von nun an unterweisen.«
    Das war es also! Nessa würde sie unter ihre Aufsicht nehmen.
    »Aber ich kenne mich schon sehr gut aus«, wehrte Alina ab. »Ich gehe mit offenen Augen durch die Burg und sehe, was geschieht!«
    »Umso leichter wird es dir fallen, meine Ratschläge anzunehmen!«, gab Nessa mit süßem Lächeln zurück. »Wir werden gleich morgen damit beginnen.«
    Leb wohl, goldene Freiheit! Ogyn war schon schlimm genug, denn er stahl ihre Zeit mit seinem dummen Geschwafel. Nessa jedoch würde unerträglich sein.
    Sie schien es zu wissen, denn der sanftmütige Ausdruck in ihrem Gesicht wandelte sich für einen Moment zu blanker Häme. Wieder ließ sie den Blick durch das Gemach schweifen, und ihre Augen blieben an Bogen und Köcher hängen. Ein Blitz erhellte für einen kurzen Moment den Raum, und im grellen Licht sah Alina deutlich den boshaften Ausdruck in Nessas Zügen.
    »Auch mit deinen heimlichen Ausflügen ist es vorbei, meine Liebe. Ich gestehe, dass ich in diesem Punkt ein wenig nachlässig gewesen bin. Ab heute haben die Torwächter strenge Anweisung, dich nicht mehr ausreiten zu lassen.
    Sie schien jetzt mit ihren Ankündigungen am Ende, denn sie wandte sich zur Tür. Draußen fielen die ersten Regentropfen, man hörte, wie sie gegen die Mauer klatschten, die steinernen Fenstersimse bekamen kleine, dunkle Flecken.
    »Es wäre wirklich besser, die Fenster zu schließen!«, bemerkte Nessa im Gehen.
    Alina stieß tief die Luft aus, als die Stiefmutter endlich fort war, dann setzte sie sich auf das Bett und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Wollte man sie halten wie eine Gefangene? Belehrungen vom Morgen bis zum Abend, keine Ausritte mehr, stattdessen nur langweiliges Geschwätz über Dinge, die sie sowieso schon wusste. Die Fragen, die ihr auf der Seele brannten, durfte sie nicht stellen, den Ort, der ihr lieb geworden war, durfte sie nicht mehr besuchen. Sie versuchte krampfhaft, die Tränen zurückzuhalten, doch der übergroße Kummer wollte sich nicht bändigen lassen, und sie begann zu schluchzen.
    Wie war es nur möglich, dass ihr Vater solche Dinge verfügte? Er liebte sie doch. Hatte er sie nicht noch vorhin »mein Feuerköpfchen« genannt? Früher hatte es ihm gefallen, dass sie ritt wie ein Knabe und mit Pfeil und Bogen umzugehen wusste. Er hatte gelacht, wenn Nessa sich beschwerte, die Königstochter stecke ihre Nase in alle Kammern der Burg und schwatze mit der Dienerschaft. Damals hatte er auch ihre Ausflüge geduldet, nur als sie begann, die fremden Lieder zu singen, da war er zornig geworden und hatte es ihr verboten

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