Schattengefährte
anzuklammern.
»Willst du die Drachen sehen?«, fragte er gleich darauf versöhnlich.
»Das Reich der Zwerge befindet sich tief unter der Erde, aber die Drachen kann ich dir zeigen. Es sind nette Kerlchen, frisch geschlüpft, die Eischalen kleben ihnen noch hinter den Ohren, aber sie sind schon frech wie die Alten.«
»Wie kannst du nur solche Scherze über diese Bestien machen! Sagtest du nicht, ihr Atemhauch lässt einen Menschen zu Asche werden?«
»In meinem Schutz wird dir nichts geschehen.«
Wie großspurig er war. Konnten solche Drachen nicht auch einem Rabenkrieger gefährlich werden? Vor allem, wenn es viele von ihnen gab? Doch ihr Flugwesen hatte sich jetzt gegen den Wind gedreht, ließ sich mit ausgebreiteten Flügeln emportragen und stieß dann pfeilschnell hinab, dass es ihr in den Ohren sauste.
»Dort unten sind sie, die hübschen Kinder. Sie schlafen sorglos und träumen vermutlich von Feuer und Kampf. Sie lieben das Gold und die funkelnden Steine – ganz genau wie wir Raben.«
Das Herz wollte ihr stocken, als sie nach unten blickte. Das Felsgeröll des steinernen Meeres war hell, dort regnete es niemals, nur der rötliche Staub wurde vom Wind aufgewirbelt und schwebte in dichten Wolken über dem ausgetrockneten Gestein. Doch durch den Staubnebel hindurch konnte sie deutlich die schwarzen Formen der Drachen erkennen, sie hockten zu Hunderten dicht nebeneinander, eine widerliche Ansammlung unförmiger Leiber, gezackter Flügellappen, schwarzer, fleischiger Krallenfüße. Ihre Hälse waren dick und schlangengleich, die Köpfe ähnlich denen der Eidechsen, nur um ein Vielfaches größer. Nie in ihrem Leben hatte sie solch missgestaltete Wesen gesehen, doch nicht ihre Hässlichkeit allein erweckte ihr Grauen, es war die Mordgier, die von diesen dunklen Bestien ausging.
»Zeig mir die Feen«, bat sie. »Sagtest du nicht, ein Feenkrieger könnte einen Drachen mit seinen Pfeilen töten?«
Ruhig zog der Rabenvogel einen Kreis über den schlafenden Drachen, ohne einen einzigen Flügelschlag glitt er nahezu geräuschlos durch die Nacht.
»Die Feen kann ich dir nicht zeigen, Alina«, sagte Fandur, und es lag Bedauern in seiner Stimme. »Ihr Reich ist verlassen, denn sie sind weit fort gewandert. Nur wenige trifft man noch hier an, einige verbergen sich unter der Erde, andere leben in den Gewässern oder tief in den Wäldern.«
Die Nachricht war niederschmetternd, denn irgendwie hatte sie gehofft, die Feen könnten ihrem Vater und seinen Rittern zur Seite stehen. Sie waren fort, ihr Reich war verlassen, man fand sie nicht mehr …
»Zeiten wandern, Sterne fallen
Treue bricht wie dürres Geäst
Eis wächst in gestürzten Hallen
Träume nur halten Vergangenes fest …«
Sie hatte nur ganz leise vor sich hingesungen, doch das Flugwesen unter ihr regte mächtig die Schwingen und stieg in den gestirnten Nachthimmel auf. Unten hoben die Drachen ihre scheußlichen Salamanderköpfe, schwarze Flügelhäute an dürrem, eckigem Gebein reckten sich, gelbe Flämmchen leuchteten zwischen den dunkelgrauen Drachenleibern.
»Sing besser nicht – sie hassen die Lieder der Feen.«
Alina verstummte erschrocken, denn einige der hässlichen Untiere flatterten jetzt von den Steinen auf, versuchten ungeschickt, genügend Höhe zu erreichen, um ihre prächtigen Gleithäute nutzen zu können.
»Hab keine Angst – sie sind lausige Flieger. Mit einem Raben nimmt es keiner von ihnen auf.«
Wie um die Drachen zu narren, zog er mehrere Kreise über den zischend aufgereckten Mäulern, ließ sich dann vom Gegenwind steil emporheben, wendete sich in der Luft und schoss pfeilschnell davon.
»Habe ich ein Feenlied gesungen?«
Hügelland wellte sich unter ihnen, in der Ferne zeichneten sich die grauen Umrisse der Burg ihres Vaters ab. Fandur hatte also beschlossen, die Fahrt zu beenden.
»Wusstest du das nicht? Woher kennst du es dann?«
»Ich habe es an der Quelle gehört. Dort, wo du mir das Pergament gestohlen hast. Erinnerst du dich?«
»Mein Gedächtnis ist ausgezeichnet. Du hast mir eine gute Schwungfeder abgeschossen und mich um ein Haar ums Leben gebracht.«
»Aber nein. Ich habe sorgfältig vorbeigezielt …«
»Das sagen alle schlechten Schützen …«
»Oho! Ich werde dir beweisen, wie genau ich zu treffen weiß!«
»Besser nicht, Alina. Deine Pfeile könnten tödlich sein.«
Sie hatten im Scherz miteinander geredet, doch den letzten Satz sprach er mit ernster Stimme, und er klang wie eine Warnung. Was
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