Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
antwortete Beka und inspizierte die neue Schnalle. »Ich war noch nicht oft in Rhíminee. Ich wette, du könntest mir dort eine Menge geheimnisvoller Orte zeigen.«
»Ich denke schon«, sagte Alec lächelnd, als ihm bewußt wurde, wieviel an dieser Stadt ihm seit seiner Ankunft bereits vertraut geworden war.
Der Rest der Familie erschien bald, und sie setzten sich zu ihrem letzten Frühstück um das Feuer.
»Kann Alec nicht ein bißchen länger bleiben?« quengelte Illia und umarmte ihn ganz fest. »Beka besiegt ihn doch immer noch ziemlich oft. Sagt Onkel Seregil, er braucht noch mehr Unterricht!«
»Wenn er deine Schwester auch nur gelegentlich besiegen kann, dann ist er bereits ein ziemlich guter Schwertkämpfer«, sagte Micum. »Du erinnerst dich doch sicher daran, was dein Onkel Seregil gesagt hat, kleines Vögelchen. Er braucht Alec wieder.«
»Ich komme bald wieder zurück«, versprach Alec und zupfte an einem ihrer schwarzen Zöpfe. »Du und Elsbet, ihr seid noch nicht damit fertig geworden, mir das Tanzen beizubringen.«
Illia drückte sich kichernd noch enger an ihn. »Du bist wirklich noch furchtbar ungeschickt.«
»Ich denke, ich gehe mal und sehe nach den Pferden«, sagte Beka und stellte ihr noch nicht einmal halb gegessenes Frühstück zur Seite. »Trödle nicht, Alec, ich will endlich aufbrechen.«
»Ihr habt doch noch den ganzen Tag vor euch. Laß ihn doch zu Ende essen«, tadelte ihre Mutter.
Bekas Unruhe war jedoch ansteckend, und so beeilte sich Alec, seinen Haferbrei eilig zu verschlingen. Dann schulterte er sein Gepäck und den Bogen und trug alles auf den Hof hinaus, auf dem Beka bereits Windläufer für ihn gesattelt hatte. Fleck tänzelte nervös hinter dem Aurënfaie-Hengst, mit dem sie durch eine Führleine verbunden war.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte er. Er drehte sich um und sah, wie ihn alle anstrahlten.
Kari trat an ihn heran und drückte ihm einen herzlichen Kuß auf die Wange.
»Er ist unser Geschenk für dich, Alec. Komm zu uns zurück, so oft du nur kannst, und paß in der Stadt ein wenig auf unsere Tochter auf, ja?«
»Ich besuche euch zum Sakor-Fest«, sagte Beka mürrisch und umarmte sie. »Das ist in weniger als einem Monat.«
Kari drückte eine Handvoll von Bekas wildem, kupferroten Haar an ihre eigene Wange. »Solange du dich immer daran erinnerst, wessen Tochter du bist, wird es dir gut ergehen, das weiß ich.«
»Ich kann es gar nicht erwarten, dich dort zu besuchen«, rief Elsbet. »Schreib mir, sobald du kannst!«
»Ich bezweifle, daß das Leben in der Kaserne dem ähnelt, was dich in der Tempelschule erwartet«, sagte Beka lachend. Sie schwang sich mit einem Satz in den Sattel, winkte ihnen noch einmal zu und folgte Alec und ihrem Vater durch das Palisadentor hinaus.
Sie erreichten die Stadt kurz nach Mittag. Es war der Tag der Geflügelzüchter auf dem Äußeren Markt, und alle Arten Geflügel von Fasanen bis Pfauen, von Enten bis Gänsen, lebendig oder gerupft – wurden hier zum Verkauf ausgestellt. Jeder Geflügelhändler hatte seinen eigenen farbigen Wimpel auf einer langen, bunten Stange über seinem Stand angebracht. Dies ergab, zusammen mit den allgegenwärtigen Süßwarenverkäufern und fliegenden Händlern, einen überaus festlichen Eindruck, obgleich sich am Himmel die Wolken drohend senkten. Der Wind trug unzählige Federn in allen Farben einher, als die drei Reisenden durch die Menschenmenge ritten und durch das lärmende Schreien, Gackern, Piepsen und Zwitschern.
Alec lächelte schweigend in sich hinein, als er sich seine Ängste in Erinnerung rief, die er bei seiner Ankunft in Rhíminee empfunden hatte. Jetzt war er hier zu Hause. Einige Geheimnisse hatte er bereits ergründet, und weitere würden folgen. Er blickte sich um, und mit einemmal bemerkte er ein bekanntes Gesicht in der Menschenmenge auf dem Markt.
Die gleichen vorstehenden Zähne, das schlaue Grinsen und die abgetragene, einst feine Kleidung. Es war Tym, der junge Dieb, der ihn am Fischmarkt bestohlen hatte. Offensichtlich nutzte er den trägen Verkehr, der sich durch das Erntetor schob, um sich an einen gut gekleideten jungen Mann heranzumachen, an dem er wohl die gleichen Tricks ausprobierte wie einst bei Alec. Ein Mädchen in einem zerschlissenen, langen rosa Kleid hing am anderen Arm des Belästigten und half Tym, diesen abzulenken.
Ich schulde ihm noch etwas Ärger, dachte sich Alec. Er stieg ab und warf Beka seinen Zügel zu.
»Wo willst du hin?« fragte
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