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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Kettenhemd aufgeschnitten und entfernt, mußte aber feststellen, daß vom Unterleib des Verwundeten nicht genug übrig war, um ihn zusammenzuflicken. Kreidebleich und keuchend starrte der junge Mann stumm zu seinem Bruder empor; die Gesichter der beiden glichen Spiegelbildern der Pein. Traurig entsann sich Beka, daß die beiden stets unzertrennlich gewesen waren, ob beim Feiern oder im Kampf.
    »Sie haben ihm einen Betäubungstrunk gegeben, aber er spürt es noch immer«, sagte Kallas leise, als sie sich neben ihn kniete. Tränen rollten ihm über die Wangen, doch seine Züge blieben ausdruckslos, wie versteinert. »Tholes sagt, er kann nichts mehr für ihn tun, außer ihn sterben zu lassen. Aber er stirbt einfach nicht! Er quält sich immer weiter.« Kallas setzte ab und schloß die Augen. »Als sein Blutsverwandter, Leutnant, erbitte ich Eure Erlaubnis, sein Leiden zu verkürzen.«
    Beka blickte auf die Züge des Verwundeten und fragte sich, ob er überhaupt begriff, was um ihn herum vor sich ging. Aulos schaute ihr in die Augen und nickte schwach; seine Lippen formten ein stummes Bitte.
    »Finde jemanden, Mirn. Schnell!« befahl Beka.
    Mirn eilte davon und kam alsbald mit einem Offiziersburschen zurück, der rasch eine Arterie in Aulos Bein öffnete. Fast auf der Stelle verlangsamte sich der angestrengte Atem des verwundeten Mannes. Mit einem letzten, langen Seufzer drehte er das Gesicht der Brust seines Bruders zu und starb.
    »Astellus trage dich sanft hinfort, und Sakor leuchte dir den Weg nach Hause«, sprach Beka das kurze Soldatengebet für die Toten. Die anderen wiederholten es in einem erstickten Chor.
    »Wer von euch noch reiten kann, hilft Kallas, ihn zu begraben. Dann sucht ihr den Rest der Turma. Die übrigen bleiben hier und warten, bis sie zur Küste gebracht werden. Ihr habt tapfer gekämpft, ihr alle. Hauptfrau Myrhini ist stolz auf euch. Genau wie ich.«
    Beka nahm den gemurmelten Dank der anderen entgegen, dann humpelte sie hinaus, so rasch ihr Bein es erlaubte; dort aber erwartete sie der Anblick von zig Leichen, die auf dem Boden ausgebreitet lagen wie Korngarben nach der Ernte. Syrtas befand sich darunter, ebenso Arna, Lineus und Feldwebel Portus. Mit blicklosen Augen starrten sie in den blauen Himmel empor, gleich schmutzigen, kaputten, ein für allemal weggeworfenen Puppen.
    »Astellus trage euch sanft hinfort, und Sakor leuchte euch …«
    Bekas Stimme versagte ihr den Dienst. Wie oft würde sie diesen Abschiedssegen heute noch murmeln müssen? Zornig wischte sie sich mit der Hand über die Augen und flüsterte den Rest.
    »Leutnant Beka?« Es war Zir, der ihr vom nächsten Krankenzelt her zurief. Er schien zwar unverletzt, sein Gesicht aber präsentierte sich leichenblaß. »Es geht um Feldwebel Mercalle – Sie ist hier drin.«
    Beka straffte die Schultern und folgte ihm in die modrige Düsternis.
    Die Ärzte mußten Mercalle etwas gegen die Schmerzen gegeben haben, denn sie lächelte schläfrig zu Beka empor. Beide Arme sowie ein Bein waren geschient. Über die Rippen spannte sich ein fester Verband, durch den unterhalb der linken Brust und an der linken Seite Blut gesickert war.
    Beka kniete sich nieder und legte dem Feldwebel sanft die Hand auf die Schulter. »Bei der Flamme, was ist denn mit Euch passiert?«
    »Dieses verfluchte Pferd …«, preßte Mercalle heiser hervor und schüttelte matt den Kopf. »Sofern ich wieder gesund werde, wechsle ich zur Infanterie.«
    »Sie wurde abgeworfen und über den Haufen getrampelt«, flüsterte Zir. »Corbin trug sie gerade vom Schlachtfeld, als beide von Pfeilen getroffen wurden. Er wurde getötet. Ich hab’ sie mir aufs Pferd gehievt und hierher gebracht. Tholes glaubt, sie wird durchkommen.«
    »Dem Schöpfer sei Dank. Wo sind Kaylah und die anderen?« fragte Beka.
    »Sie ist unterwegs und sucht nach den Vermißten, Leutnant. Habt Ihr gesehen …?« Zir deutete mit dem Kopf in Richtung der draußen liegenden Leichen; Beka sah Tränen in seinen Augen glitzern. »Wir hatten uns gerade aus dem Gewimmel freigekämpft und dachten, wir könnten uns kurz sammeln, aber da waren auch plenimaranische Bogenschützen. Bei der Flamme, Leutnant, sie haben uns ganz schön unter Beschuß genommen! Arna, Syrtas und die übrigen – sie waren an der Spitze und hatten keine Zeit mehr, die Pferde herumzureißen.«
    Beka ergriff seine Hand. »Geh los. Such Kaylah und die anderen. Ich komme gleich nach.«
    »Leutnant?« Mercalles glasige Augen blickten unverwandt

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