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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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mich verletzen konnten. Alle, die mich verletzlich machten.
    Ich nehme an, ich konnte verstehen, warum Saul mich an einem Ort haben wollte, an dem ich vor diesem Ding – was es auch sein mochte – sicher war, sollte es einen weiteren Angriff planen. Was ich hingegen nicht verstand, war, warum er überhaupt mit mir zusammen war. Schließlich war er ein Wer und nach menschlichen Regeln nicht zu begreifen. Meistens fand ich diesen Umstand gut.
    Aber jetzt hatte ich meine Zweifel.
    Bisher hatte ich ihm immer vertraut, hatte ihm meinen Körper und alles anvertraut, was von meinem Herzen noch übrig war. Ich hatte ihm alles anvertraut, was Michail mir hinterlassen hatte. Und ich hatte ihm schon öfter mein Leben anvertraut, als ich zählen konnte.
    Das musste reichen.
    „Einverstanden.“ Als die Lichtverhältnisse sich ab der Ecke Pelizada und Twelfth Street änderten, schaltete ich in einen niedrigeren Gang. „Von mir aus. Machen wir es, wie du willst.“

14
     
     
    Das in der Innenstadt gelegene Sisters of Mercy erhob sich wie ein gigantischer Vogel aus Beton. Das alte Krankenhaus lag inmitten eines Wirrwarrs aus kleinen Straßen, und der Granit-Jesus auf dem Dach warf noch immer missbilligende Blicke in Richtung des Finanzviertels. Wir nahmen den Seiteneingang und wurden auf der Stelle von Linoleum, Desinfektionsmittel, Bohnerwachs und dem Gestank nach Leid attackiert.
    Sofort, als wir über die Schwelle traten, griff Saul nach meiner Hand. Ich habe einen wahren Hass auf Krankenhäuser aufgebaut. Versteht mich nicht, falsch – sie sind ganz wundervoll und ausgestattet mit dem besten und engagiertesten Personal, das es gibt. Aber wie auch in Schulen bekomme ich in ihnen das kalte Grauen. Zu viel Qualen und freigesetzte Energien treiben in der Luft, egal ob aufgrund von Krankheiten oder Tod oder Kindern, die man in kleine Kisten gesteckt hat und die sich benehmen sollen. Es ist einfach so viel Schmerz. Die Atmosphäre ist immens geladen, was für Jäger gut ist – gewissermaßen verstärken sich unsere eigenen Kräfte, um mithalten zu können –, aber eben auch schlecht. Man kann es nur eine bestimmte Zeit lang aushalten, bevor einem die Sicherungen durchbrennen.
    Natürlich könnte der ein oder andere jetzt behaupten, dass wir sowieso und grundsätzlich immer eine Schraube locker haben.
    Wir nahmen die Treppe in den fünften Stock, wo die Herzinfarktpatienten lagen. Während meine Tritte durch die Gänge hallten, wurde mir mulmig zumute. Mein Griff verkrampfte sich, und Saul sah mich fragend an.
    Dann erblickte ich Vater Guillermo am Ende des Flurs und spürte, wie meine Miene versteinerte. Es wurmte mich noch immer, dass er mich belogen hatte. Die Kirche finanzierte einer Menge Jägern die Ausbildung, aber es war ein Glaubensgrundsatz und Teil ihrer Lehre, dass wir zur Hölle fahren würden, weil wir uns mit der Schattenwelt abgaben. Wir galten als unrein. Trotzdem hatte ich immer geglaubt, Gui vertrauen zu können, dass er … na ja, mich nicht hintergehen würde.
    Mich nicht wie jeden anderen blutigen Laien behandeln würde.
    Bei Gott, ich hatte schon genug Exorzismen für ihn durchgeführt. Ich hatte es verdient, dass man mich zumindest vorwarnte, wenn sein Seminar ein Relikt oder ein Artefakt versteckte – selbst wenn es wahrscheinlich war, dass die Sorrow sich nicht um das beschissene Teil scherten.
    Aber warum waren sie dann dort? Was zum Teufel geht dort vor sich?
    Die Narbe zog sich zusammen und sandte Hitzeströme meinen Arm entlang. Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen. Und schnupperte. Saul an meiner Seite hielt abrupt inne und spannte sich.
    „Riechst du das?“, fragte ich ihn, während er meine Hand losließ und sein Buschmesser zog.
    „Weihrauch“, gab er zur Antwort. „Blut. Und ein betörender Duft.“
    Nicht nur das, es war ein Geruch, an den ich mich erinnerte. Einer, der mir nicht nur die Haare zu Berge stehen, sondern sie zu stählernen Pflöcken voller Blutdurst werden ließ.
    Gott ist mein Zeuge, ich hasse sie bis aufs Blut.
    „Eine Sorrow-Priesterin.“ Ich schüttelte mir das Haar in den Nacken. Zu beiden Seiten stand der Gang voll mit kleinen Schaltern, an denen der Papierkram erledigt wurde, mit medizinischem Krimskrams, mit Ärzten, die auf Türschwellen warteten, sich leise unterhielten oder entschlossen von dannen schritten – und mit Pater Gui, der mit leerem Blick vor sich hinstarrte, während er an der Wand lehnte. Keinen Meter von einer Tür entfernt, die leicht

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