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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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bereit sein.
    Diesmal verabschiedete sie sich nicht allein von Vic. Sie organisierte eine Party für das junge Ehepaar und lud mehrere Nachbarn ein. Für ein teures Geschenk fehlte ihr das Geld. Stattdessen suchte sie aus einem der alten Küchenschränke ein hübsches Wedgewood-Teeservice aus zartem Porzellan heraus. Beth musterte es geringschätzig, aber Vic nahm eine der zerbrechlichen Tassen so behutsam in seine großen Hände, mit einer so vertrauten Zärtlichkeit, dass sich Liz’ Herz zusammenkrampfte. Sie versuchte, nicht daran zu denken, was gewesen wäre, wenn … Ja – wenn? Wenn Sie Edward nicht geheiratet hätte … Aber sie war Edwards Frau, und dafür musste sie verdammt dankbar sein. Im Dorf lebten einige Frauen, deren Kinder keine Väter hatten.
    Manche waren Kriegerwitwen – und andere …
    Andere hatten nach kurzen Affären während des Kriegs vaterlose, geächtete Kinder geboren. Wie schrecklich wäre es, hätte David das gleiche Schicksal erlitten …
    Als der Augenblick des Abschieds kam, wich Vic ihrem Blick aus, und obwohl sie seinen Entschluss guthieß, nach Australien auszuwandern, ging ihr die Trennung sehr nahe. Aufrichtig wünschte sie ihm alles Gute und wusste, dass ihr Leben ohne ihn ärmer sein würde.
    David schien zu ahnen, was sie empfand, denn er lief zu ihr und nahm ihre Hand. Seine Finger fühlten sich weich und warm an, und sie sehnte sich nach einem härteren, stärkeren Griff – nach dem Händedruck eines Mannes, nicht eines Kindes. Mühsam schluckte sie ihre Tränen hinunter, schalt sich dumm und eigensüchtig. Sie musste in die Zukunft schauen, nicht in die Vergangenheit. Und was wollte sie überhaupt mit einem Mann wie Vic anfangen, der sexuelle Intimitäten von ihr verlangen würde? Wie sie seit der Beziehung zu Kit wusste, war sie unfähig, ein Sexualleben zu führen. Und doch gab es Nächte – lange, ermüdende Nächte, wo sie wach im Bett lag, gequält von der Sehnsucht ihres Körpers, von wachsenden Bedürfnissen, die sie nicht verstand, die sie verwirrten und beschämten.

20. KAPITEL
    Sage griff zum nächsten Tagebuch. Nun entdeckte sie in ihrer Mutter eine unerwartete und zweifellos auch unbeabsichtigte Tendenz zur Dramatik.
    Bei der Lektüre der letzten Seiten hatte sie den Eindruck gewonnen, Liz’ Leben – so wie sie es den Aufzeichnungen entnahm – würde allmählich einem Wendepunkt entgegenstreben. Oder geheimnisste sie einfach nur zu viel hinein, im verzweifelten Bemühen, die eigenen Probleme zu vergessen?
    Oder erkannte sie jetzt, wo sie die Mutter mit den Augen eines Erwachsenen, nicht mehr eines Kindes, betrachtete, voll plötzlichem Mitleid eine Frau mit Gefühlen und Wünschen, die während der Ehe mit Edward niemals Erfüllung gefunden hatten?
    Sage schlug das nächste Buch auf, las die Daten auf der ersten Seite und runzelte die Stirn. Der Inhalt dieser Aufzeichnungen umfasste ein ganzes Jahrzehnt – die Zeit, als sie selbst zur Welt gekommen war. Ihr Herz begann schmerzhaft gegen die Rippen zu hämmern.
    Nie hatte sie der Mutter nahe genug gestanden, um zu fragen, wie es zu der künstlichen Befruchtung gekommen war. Immerhin hatte Liz für einen zehnjährigen Sohn und einen invaliden Ehemann zu sorgen und sich außerdem um die eben erst neu eröffnete, vorerst auf tönernen Füßen stehende Spinnerei kümmern müssen.
    Abgesehen von der Unvereinbarkeit zweier Temperamente, die eine innige Beziehung zwischen Mutter und Tochter stets verhindert hatten, war Sage der Meinung gewesen, Liz besäße nicht die Fähigkeit, ihre Gefühle freimütig auszudrücken, und verspürte auch keine Neigung dazu. Trotzdem wusste sie, seit sie die Tagebücher las, wie gewaltig sie sich geirrt hatte. Warum dann die ständige kühle Zurückhaltung der Mutter?
    Lebhaft erinnerte sie sich, wie sie als Kind ins Haus und in die Arme der Mutter gelaufen war – oder es zumindest versucht hatte. Sage sah immer noch deutlich die abweisende, missbilligende Miene des Vaters vor sich. Sie war in die Bibliothek gestürmt, wo Liz bei ihm gesessen hatte. Hastig, fast ärgerlich wehrte sie ihre kleine Tochter ab und scheuchte sie hinaus. Schon damals hatte sich Sage wie eine unwillkommene Außenseiterin gefühlt.
    Wäre nicht Davids Liebe gewesen … Traurig lächelte sie vor sich hin. Stets hatte sie dem älteren Bruder nachgeeifert, sich gewünscht, sein ausgeglichenes Temperament zu besitzen, das Talent, den Zorn anderer Leute mit einem sanften Lächeln zu besiegen. Erst als

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