Schattenjahre (German Edition)
Lewis’ Seite fand. Das brachte sie nicht übers Herz.
Müde stand sie auf. Schlief er jetzt in seinem Gasthauszimmer? Oder lag er wach im Bett, dachte an sie, sehnte sich nach ihr?
Liz musste ihn sehen, und so rief sie ihn an. Sie vereinbarten, sich außerhalb des Dorfes zu treffen, wo man sie nicht beobachten würde.
Nach den vielen schönen Tagen hatte es geregnet, und nun hing grauer Nebel über der Landschaft, passend zu Liz’ Stimmung. Lewis hatte bereits an dem einsamen schmalen Sandweg geparkt. Als sie aus ihrem Auto stieg und zu ihm lief, kam er ihr entgegen. „Nun, hast du mit ihm geredet?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Es geht ihm sehr schlecht. Ian meint …“
„Es ist mir verdammt egal, was Holmes meint“, unterbrach er sie wütend. „Was soll ich denn tun? Hier herumhängen und warten, bis er entscheidet, nun würde sich Edward gut genug fühlen, um ein klärendes Gespräch mit dir zu verkraften? Wie lange wird das dauern? Eine Woche – ein Monat – ein Jahr – zehn Jahre?“
Sein bitterer Sarkasmus tat ihr weh, doch damit hatte sie gerechnet. „Nein, das verlange ich nicht von dir.“ Sie holte tief Luft. „Es ist vorbei, Lewis. Sosehr ich dich auch liebe, ich kann Edward nicht verlassen. Das weiß ich jetzt.“
Verzweifelt sah sie das unverhohlene Entsetzen in seinen Augen. Erst nach mehreren Sekunden gehorchte ihm die Stimme wieder. „Das soll wohl heißen, du willst nicht. Warum nicht, Liz? Sag es mir!“
„Er braucht mich“, flüsterte sie.
„Er braucht dich … Und was ist mit mir, verdammt noch mal?“ Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie. „Brauche ich dich etwa nicht?“
Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie musste ihre ganze Kraft aufbieten, um nicht zusammenzubrechen. „Nicht so wie er. Versteh doch – wenn ich mich jetzt von Edward trenne, würde ich es bis ans Ende meiner Tage bereuen. Es würde zwischen uns stehen, unsere Liebe gefährden. Und das will ich nicht. Du verdienst eine Frau, die sich frei und unbelastet für dich entscheidet und dir ihr ganzes Herz schenken kann. Und wenn ich eine solche Bürde auf mein Gewissen lade, könnte ich nicht damit leben.“
„Und dass du mir wehtust, stört dich wohl gar nicht“, entgegnete er tonlos. „Ist dir das wirklich gleichgültig?“
Natürlich nicht – ich liebe dich … Diese Worte lagen ihr auf der Zunge, blieben aber unausgesprochen. Was hätte es für einen Sinn gehabt, die Qual zu verlängern?
„Und was erwartest du jetzt von mir, Liz? Dass ich hierbleibe und gelegentlich um ein paar gestohlene Stunden in deiner Gesellschaft bettle? Das kann ich nicht. Alles oder nichts.“
„Und ich kann Edward nicht verlassen“, wiederholte sie, fühlte sich elend und schwindlig. Wenn er sie jetzt in die Arme nähme und küsste … Sie bekämpfte den Wunsch, er möge genau das tun, sie hochheben, davontragen und entführen, an ihrer Stelle die Entscheidung treffen. Doch das durfte nicht geschehen.
„Du hast also ihn gewählt – er bedeutet dir mehr als ich“, klagte er sie an. „Alles war nur Lüge. Sogar Cottingdean liebst du mehr als mich. Für dich war unsere Beziehung nur ein amüsantes Zwischenspiel.“
Sie wollte protestieren, aber um seinetwillen besann sie sich eines Besseren. Für ihn würde es leichter sein, wenn sie im Zorn auseinandergingen. Seine bittere Wut würde ihm über die nächsten Tage hinweghelfen. Es wäre schwach und selbstsüchtig gewesen, ihn mit ihrer Liebe an sich zu fesseln – wo sie doch wusste, dass sie diese Liebe aus ihrem Leben verbannen musste.
„Vielleicht“, stimmte sie leichthin zu und verbarg mühsam, welches Leid diese Worte sie kosteten.
Lewis warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Meinst du das ernst?“ Er ließ ihre Schultern los und trat so hastig zurück, als hätte er sich die Finger verbrannt. „Mehr war es nicht für dich? Nur ein Spiel, eine nette Abwechslung? Hattest du jemals vor, Edward zu verlassen, oder diesen Gedanken nur in deiner Fantasie erwogen? Eine grausame Fantasie, denn ich glaubte wirklich …“
Sie schwieg, ließ sich all die harten, schmerzlichen Beschuldigungen ins Gesicht schleudern, bot ihm ein Ventil für seine tiefe Enttäuschung, das er so dringend brauchte. Es war das Einzige, was sie ihm zu geben vermochte, das einzige Heilmittel für seinen Kummer. Schließlich wandte er sich ab. „Nun, ich hoffe, eines Tages wird jemand auftauchen und dein Leben genauso zerstören, wie du meines
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