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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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seinen Augen erlosch wieder, und er kam ihr vor wie ein verwirrtes Kind. Das Herz wurde ihr schwer, belastet von unerwünschtem Mitgefühl. „Lass mich nicht hier, Liz. Sag ihnen, ich will nach Hause. Das verstehen sie nicht.“
    Er begann zu zittern, Tränen rollten über seine Wangen. Tiefe Verzweiflung drohte Liz zu überwältigen. An ihrer Seite sagte die Schwester in professionellem strengem Ton: „Aber, aber! Jetzt reicht es! Die arme Mrs Danvers wird noch glauben, wir behandeln Sie schlecht, wenn Sie sich so aufführen, Sir.“ Zu Liz gewandt, fuhr sie etwas leiser fort: „Manchmal ruft das Medikament diese Wirkung hervor. Es wird eine Weile dauern, bis wir die richtige Dosis bestimmt haben. Vorher greift es das Nervensystem an und führt zu Depressionen.“
    „Er war schon immer depressiv. Wenn es noch schlimmer wird …“ Grausige Visionen von einem selbstmordgefährdeten Edward, der seine Absichten in die Tat umsetzte, begannen Liz zu quälen. Sie sah ihn an. Solange er sich in diesem Zustand befand, konnte sie ihm unmöglich ihre Absichten gestehen, ihn zu verlassen. In sekundenlanger feiger Schwäche überlegte sie, ob sie einfach aus der Klinik und aus Cottingdean verschwinden, David aus dem Internat holen und in Australien ein neues Leben beginnen sollte, mit ihrem Sohn und mit Lewis.
    Nein, niemals.
    Auf der Heimfahrt fragte sie sich, wie Lewis reagieren würde, wenn sie ihm erzählte, sie sei unfähig gewesen, Edward auf die Scheidung vorzubereiten. Würde er ihr unendliches Mitleid verstehen?Zunächst war Lewis wütend, dann spürte er Liz’ schmerzlichen Kummer und nahm sie stöhnend in die Arme. Immer wieder versicherte er, wie sehr er sie liebe, wie er es hasse, sie so unglücklich zu sehen. „Lass mir Zeit“, flehte sie.
    „Mein Liebling, ich will dir nicht wehtun, aber begreifst du denn nicht? Je länger es dauert, desto schwieriger wird es sein. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“
    „Ich kann es einfach nicht“, klagte sie. „O Lewis, wenn du ihn heute gesehen hättest …“ Sie begann zu weinen. Fest drückte er sie an sich und wünschte Liz zuliebe, er könnte ihr Mitleid mit dem Mann teilen, der ihm nur bösartig und gefährlich erschien.
    Ian erklärte, Edward würde eine ganze Woche im Krankenhaus bleiben. Täglich besuchte Liz ihren Mann, und jeden Tag bat er sie, ihn nach Hause zu holen. Angesichts seines seelischen Elends fand sie es immer unmöglicher, ihn mit ihren Scheidungsplänen zu konfrontieren.
    Anfangs verständnisvoll und geduldig, fragte Lewis nun wiederholt, ob sie ihn überhaupt liebe. Sie konnte seine Emotionen und Ängste nachempfinden, versuchte ihn zu beruhigen, erreichte aber nur, dass seine Abneigung gegen Edward wuchs. „Ich liebe dich, Liz, und ich will dich heiraten. Wenn du mich genauso liebtest, würdest du ihn verlassen – ganz egal, wie schlimm das für ihn sein mag.“
    „Hättest du deine Frau in der gleichen Situation verlassen?“, fragte sie herausfordernd.
    „Natürlich …“, begann er und verstummte abrupt. Dann fuhr er seufzend fort: „Es ist sinnlos, wir drehen uns immer nur im Kreis. Morgen kommt Edward nach Hause. Es fällt mir sehr schwer, dir das anzutun, Liz, doch ich habe keine Wahl. Entweder sagst du ihm, du würdest ihn verlassen, oder …“ Er zögerte kurz. „Oder ich muss annehmen, dass deine Liebe doch nicht so stark ist, wie du es ständig beteuerst, nicht stark genug, um deinen Entschluss zu bestimmen.“
    „O Lewis, bitte … Verstehst du denn nicht, welchen Preis ich dafür bezahlen müsste? Mein Leben lang würde ich unter Schuldgefühlen leiden. Edward …“
    „Edward, Edward, immer nur Edward! Und wir beide, Liz? Was wird aus mir? Was tust du denn mir an? Diese unablässige Angst, dich zu verlieren … Ich gebe dir noch vierundzwanzig Stunden, um dich für ihn oder mich zu entscheiden.“
    Nachdem er gegangen war, saß sie reglos im Wohnzimmer und starrte ins Leere – unfähig, etwas anderes zu sehen als sein Gesicht, die Qual in seinen Augen. Warum zauderte sie noch? Sie liebte ihn, wollte mit ihm leben, wünschte sich nichts sehnlicher. Aber dann dachte sie an Edward, an seinen hilflosen, flehenden Blick. Edward, der jedes Mal unglücklich ihren Namen rief, wenn sie das Krankenzimmer verließ – Edward, der morgen nach Hause kommen würde …
    In dieser Nacht schlief sie kaum. Lebhafte Albträume verzehrten ihre geringen Kraftreserven, sodass sie am Morgen völlig erschöpft

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