Schattenjahre (German Edition)
zerstört hast. Weißt du, Liz …“ Er drehte sich kurz zu ihr um, eisige Kälte in den Augen. „Dein Mann tut mir fast leid, und ich wünsche ihm viel Glück. Er wird’s nötig haben.“
Sie blieb am Straßenrand stehen, bis der Nebelschleier die Staubwolken verschluckte, die Lewis’ Auto hochgewirbelt hatte. Nicht einmal jetzt weinte sie. Steifbeinig ging sie zu ihrem Wagen und fuhr langsam nach Hause. Es kam ihr so vor, als wäre ihre Seele entzweigerissen worden. Niemand durfte es merken, niemand durfte wissen, wie es in ihr aussah. Das musste sie ganz allein ertragen und überwinden. Sie hatte richtig gehandelt. Doch es würde noch eine Weile dauern, bis sie ihr Herz davon überzeugt hatte.
Edwards Krankheit nahm sie voll in Anspruch. Andernfalls wäre sie vielleicht zu Lewis gegangen und hätte ihn gebeten, ihr noch etwas Zeit zu geben. Aber als ihr Mann sich einigermaßen erholt hatte und wenigstens für eine halbe Stunde allein bleiben konnte, erfuhr Liz im Dorf, der Australier sei abgereist. Niemand schien zu wissen, wohin.
Die wochenlange Krankenpflege und die Trauer um ihre verlorene Liebe zehrten an Liz’ Gesundheit. Sie fühlte sich oft elend und musste morgens erbrechen. Anfangs führte sie das auf ihre strapazierten Nerven zurück, bis ihr plötzlich bewusst wurde, was diese Übelkeit bedeutete.Aber jetzt war es zu spät, um sich für Lewis zu entscheiden. Selbst wenn sie Edward verließe und die damit verbundenen Gewissensqualen auf sich nähme – würde Lewis glauben, sie wäre aus Liebe zu ihm gekommen, nicht nur wegen des Kindes, das sie unter dem Herzen trug? Nein, es war zu spät, um sich anders zu besinnen.
Und das Baby? Liz presste verzweifelt eine Hand auf ihren Bauch. Niemals hätte sie es empfangen dürfen, und es durfte nicht geboren werden. Und doch … Wie sehr wünschte sie sich ein Kind von Lewis … In der unumgänglichen Abtreibung sah sie eine Strafe für ihren Ehebruch. Nicht nur ihre Liebe musste sie opfern, sondern auch ihr Kind.
Eine Woche verstrich, dann noch eine. Fürsorglich betreute Liz ihren Mann. Wie ein Kind klammerte er sich an sie, bereute seinen tätlichen Angriff und flehte ständig, sie möge ihn nie verlassen. Irgendwie schien er zu spüren, wie nahe sie daran gewesen war.
Sie nahm ab, wurde viel zu dünn. Die anstrengende Krankenbetreuung, verbunden mit dem seelischen Kummer, forderte ihren Tribut. Noch immer hatte sie nichts unternommen, um die Schwangerschaft abzubrechen, obwohl sie wusste, dass es geschehen musste. Aber wie? Eine Abtreibung würde gegen das Gesetz verstoßen und außerdem ihre Gesundheit gefährden.
Besorgt beobachtete Ian Holmes, wie bleich und mager sie wurde. Während sich ihr Zustand verschlechterte, genas Edward allmählich. Das Medikament verhinderte neue Wutanfälle. In körperlicher Hinsicht sei er so kräftig wie eh und je, bemerkte der Arzt, als er Liz’ aufopferungsvolle Bemühungen um den Patienten lobte. Diesem hatte er bereits erklärt, nur ihr sei die relativ schnelle Erholung zu verdanken, Edward könne von Glück reden, dass er eine so wunderbare Frau habe. Und der Invalide pflichtete ihm ohne Zögern bei. Ja, er war glücklich.
Eines Morgens, nach einem Besuch bei Edward, sah der Doktor im Garten, wie Liz auf den Knien lag und mit hektischen Bewegungen Unkraut aus einer Rabatte riss. Sie zitterte am ganzen Leib, Tränen strömten über ihr Gesicht. Erschüttert kniete er neben ihr nieder, umfasste ihre Schulter und drehte sie sanft zu sich herum. Ihm war nicht entgangen, dass sie ihren kranken Mann mit fast verzweifelter Hingabe umsorgt hatte. Daraus zog er seine eigenen Schlüsse. Was Lewis McLaren für Liz empfand, war offensichtlich gewesen. Diese Gefühle erwiderte sie, und Ian hatte tiefes Mitleid mit den beiden. „Armes Mädchen – was hast du denn?“, fragte er leise und glaubte die Antwort zu kennen. Sie liebte einen Mann, den sie – an Edward gebunden – nicht heiraten konnte und deshalb weggeschickt hatte.
„Ich bin schwanger“, gestand sie tonlos, und als sie Ians Bestürzung sah, fügte sie hinzu: „Natürlich hätte es nie passieren dürfen.“
Zögernd und unbehaglich fragte er: „Ist – McLaren informiert?“
„Nein, und ich habe auch nicht die Absicht, ihn zu benachrichtigen. Das ist einzig und allein mein Problem. O Gott, Ian, ich weiß, was ich tun muss …“ Sie erschauerte. „Lewis bat mich, Ed zu verlassen. Aber welch ein Leben wäre das gewesen – mit meinen Gewissensbissen
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