Schattenjahre (German Edition)
McLaren nicht mehr erwähnt.
Wo mag Lewis jetzt sein, überlegte Liz. Sicher längst wieder in Australien … In den ersten gefühlvollen Tagen nach der Geburt überlegte sie oft, ob er an sie dachte, wie anders die Situation wäre, wenn … Doch in solchen Fantasien durfte sie sich nicht verlieren.
Lewis McLaren war nicht in Australien, sondern in London, wo er bitter und desillusioniert über die Frau nachgrübelte, die ihre Liebe zu ihm beteuert und gelogen hatte. Durch einen jener Zufälle, die das Schicksal so sehr zu schätzen scheint, fiel ihm eines Morgens im Haus eines Freundes die Times in die Hände, und er entdeckte die Annonce. Major Edward Danvers hatte einen Sohn und eine Tochter bekommen.
Natürlich wusste Lewis sofort Bescheid und konnte kaum fassen, wie niederträchtig er betrogen wurde. Seine Kinder – von einem anderen Mann beansprucht …
Ohne lange zu überlegen, mietete er ein Auto und fuhr nach Cottingdean.
Die Zwillinge waren gerade drei Wochen alt. Edward litt an einer leichten Lungenentzündung, und Ian Holmes bestand auf einer Röntgenuntersuchung im Krankenhaus. Natürlich wusste Liz, wie eifersüchtig ihr Mann darüber wachte, dass sie den Babys keine größere Aufmerksamkeit schenkte als ihm. Deshalb begleitete sie ihn in die Klinik. Obwohl sie noch von der Geburt geschwächt war und die Säuglinge selbst stillte, ignorierte sie seinen halbherzigen Einwand, ihr Platz sei daheim bei Nicholas und Sage.
Die Frau eines Fabrikarbeiters, Mrs Palmer, hatte sich erboten, inzwischen die Zwillinge zubetreuen. Die nette, fröhliche Frau, selbst Mutter und Großmutter, half öfter im Haus Cottingdean aus, wenn Gäste kamen. Als Lewis an die Tür klopfte, begrüßte sie ihn freundlich. Sie kannte ihn von seinem früheren Aufenthalt im Dorf her und hatte eine Schwäche für ihn. Welch ein attraktiver Mann – und so liebenswürdig … Allerdings fand sie seinen Wunsch, die Babys zu sehen, etwas eigenartig. Normalerweise interessierten sich Männer nicht für Säuglinge. Aber er hatte vermutlich gehört, wie Nicholas und Sage gezeugt worden waren, und das erregte seine Neugier.
Sie führte ihn ins sonnige, warme Kinderzimmer und entschuldigte sich für ein paar Minuten, dann eilte sie nach unten und bat Chivers, Tee für den Besucher zu machen.
Lewis blieb allein mit seinen Kindern und starrte sie an. Das lebhafte Mädchen mit den hellen Augen gluckste laut, der Junge war stiller und ernster.
Sein Sohn … Ohne zu wissen, warum er es tat, nahm Lewis ihn aus dem Bettchen. Das Mädchen begann zu weinen, als ärgerte es sich über die Aufmerksamkeit, die dem Bruder zuteil wurde.
Bald würde die Frau zurückkommen. Und das sind meine Kinder, dachte Lewis. Mein Sohn, der auf Woolonga hätte geboren werden müssen, der auf meiner Ranch aufwachsen sollte, um sie eines Tages zu erben … Der einzige Erbe, denn er hatte beschlossen, nie wieder zu heiraten.
Den Entschluss, das Baby die Treppe hinab und aus dem Haus zu tragen, fasste er nicht bewusst. Irgendwie geschah es. Irgendwie saß er plötzlich im Auto und fuhr nach London zurück, nicht zu seinem Freund, sondern zum Flughafen. Dort buchte er einen Platz in der nächsten Maschine nach Australien. Glücklicherweise war in seinem Reisepass der Name des toten Sohnes eingetragen. Dadurch wirkte alles legal und richtig. Ein Kind hatte er verloren, dieses würde er behalten – wenn er Liz schon nicht haben konnte. Nun bereute er, dass er nicht beide Zwillinge mitgenommen hatte. Aber nun war es zu spät für solche Überlegungen. In Cottingdean durfte er sich nicht mehr blicken lassen.
Ein Vater, der mit seinem Baby nach Hause flog … Armer Mann, wie mitgenommen er aussieht, dachte das Mädchen am Ticketschalter. Was ist mit seiner Frau geschehen? Auch in unseren fortschrittlichen Zeiten sterben immer noch Frauen im Kindbett …
Als Mrs Palmer das Verschwinden des kleinen Nicholas bemerkte, geriet sie in Panik. Statt Hilfe zu holen, rannte sie durch das ganze Haus, als glaubte sie, der Säugling wäre aus seinem Bettchen gekrochen und hätte sich in einem anderen Zimmer versteckt.
Deshalb verstrichen mehrere Stunden, bis die Behörden informiert wurden. Mittlerweile waren Liz und Edward aus der Klinik nach Hause zurückgekehrt, wo heller Aufruhr herrschte.
Sobald Mrs Palmer den Besuch Mr McLarens erwähnte, wusste Liz Bescheid. Lewis hatte seinen Sohn entführt. Unglücklich wandte sie sich zu Edward. „Mach dir keine Sorgen“, versuchte er
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