Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
wie jene Rimmzahns.
»An die Arbeit!« Jack drückte ihm eine Axt in die Hand. »Helfen Sie den Leuten dort drüben, das Holz in möglichst schmale und gleich lange Bretter zu zerteilen.«
Rimmzahn murmelte einen letzten Protest, bevor er sich auf den Weg machte und sich widerwillig an der Arbeit beteiligte.
»Dieser Querulant ist gefährlicher, als man meinen könnte«, flüsterte Laura Milt zu. »Sieh dir unsere Leute an: Sie hören ihm zu. Seine Gedanken sickern in ihren Köpfen ein. Sie stellen sich Fragen wie: Warum sollte man dieses dumme Gör mitnehmen, das Najid hat entkommen lassen? Und warum Wolf, der so schwer verletzt ist, dass er womöglich die nächste Nacht nicht mehr übersteht? Weniger Leute bedeutet weniger Last, weniger Verantwortung - und mehr Chancen zum Überleben für die Gesunden.«
Laura deutete in Richtung einer kleinen Gruppe von Männern, die ihre Köpfe zusammensteckten und angeregt miteinander diskutierten. »Manch einer dieser Mitläufer ist Rimmzahns Meinung. Noch haben sie nicht die Traute, den Mund aufzumachen. Doch wehe, einer von euch dreien - Jack, Andreas oder du - begeht einen Fehler. Dann ist der Aufstand nicht mehr weit. Wie es ja schon nach der Bruchlandung der Fall war. Jeder wusste alles besser und wollte sein eigenes Süppchen kochen.«
Milt nickte. »Dabei brauchten sie bloß die Augen aufzumachen, um zu wissen, wie wichtig es ist, als Gruppe zu funktionieren.«
Er wies in Wolfs Richtung. Der Verletzte, von oben bis unten einbandagiert, lag auf einer notdürftigen Pritsche und gab Anweisungen an die Menschen. Wenn es notwendig wurde, quälte er sich hoch und zeigte, worauf es beim Bau des Sandseglers ankam.
Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter den Überlebenden des Flugzeugabsturzes ein Schiffbauer befand, der sich auf die Entwicklung von Katamaranen spezialisiert hatte? Einer, der das Praxiswissen besaß, um ein windbetriebenes Fahrzeug zu errichten, das sich mit ausreichendem Tempo durch die Sandwüste bewegen ließ?
Laura griff nach der Bohle, die sie in Arbeit hatte, und fettete sie so dick wie möglich mit den Hautresten eines Wurms ein. Tochter und Mutter Müller beschäftigten sich mit dem Vernähen alter, rissiger Stoffbahnen, die sie in einem der Ruinenhäuser entdeckt hatten. Jack, Milt und einige andere Männer kümmerten sich um die Spaltung des Holzes und die notwendige Präparation, sodass mittlerweile mehr als hundert in etwa gleich lange Planken bereitlagen, die wiederum von einer weiteren Gruppe an Passagieren aneinandergebunden und -genagelt wurden.
Nahe dem Tor brannte ein Feuer. Das beste Kernholz wurde hier geschmeidig gemacht und in Kufenform gezwungen. Milt verabschiedete sich von Laura und wandte sich wieder seiner Aufgabe zu. Er lieferte ein weiteres Beispiel für seine beeindruckende Vielseitigkeit ab. Er kümmerte sich um diese diffizile Arbeit; Cedric, der Mann mit dem schreiend bunten Hawaiihemd, unterstützte ihn und verbreitete gute Laune. Zoe war in ihre alte Rolle als dümmliche Blondine zurückgefallen; sie versorgte die beiden schwitzenden Männer mit Wasser - und machte Milt schöne Augen.
Wolf richtete sich mühsam von seiner Liege auf. Seine Augen waren verschwollen, an den Unterarmen zeigten sich eitrige Bläschen, und ein Gutteil seiner Haarpracht war verbrannt. »Mehr Fett!«, rief er Laura zu. »Es muss so gut und so tief wie möglich ins Holz eingerieben werden. Andernfalls ist der Firnis bereits nach wenigen Kilometern verschwunden und ein Vorwärtskommen unmöglich.«
Er humpelte zum Korpus des Sandgleiters, der fast völlig fertig war. Er ließ sich die schwerste Axt geben und hieb mit einer Kraft, die man ihm angesichts der Schwere seiner Verletzungen nicht zugetraut hätte, auf die Nutbohlen ein, sodass die Hölzer noch fester aneinandergedrückt und das schmierige Wurmfett an den Seiten herausgepresst wurde. Ein nahezu luftdichter Anschluss entstand, der die Bretter wie miteinander verschmolzen wirken ließ. Fasziniert sah ihm Laura bei der Arbeit zu. Jede seiner Bewegungen wirkte wie selbstverständlich.
Wolf hielt inne, die Axt glitt haltlos aus seiner Hand. »In zwei Stunden haben wir's geschafft!«, sagte er und hustete angestrengt. Er hielt einen Finger in den Wind. »Die Größe sollte ausreichen, um den Sandsegler mit Schrittgeschwindigkeit anzutreiben.«
»Mehr geht nicht?«, fragte Jack enttäuscht. »Ich hatte gehofft ...«
»Du kannst selbstverständlich Norberts Ratschlag annehmen
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