Schattenlord 7 - Das blaue Mal
aber war mit Arachie Larma geschehen? Wo war die Schwarzseherin hingekommen? Maletorrex hatte ein Gespräch mit ihr geführt, und kurz darauf hatte sie mit dem Schreien aufgehört und war dann verschwunden gewesen, sehr zum Ärger der Priester. Hatte sie den Wert eines selbstbestimmten Lebens wiederentdeckt und war geflohen?
Was war mit der neunten geschehen? Mit jener stummen Frau, die niemals ihren Namen verraten und dennoch tatkräftig an der Errichtung Dar Anuins mitgewirkt hatte? Wo war die Philosophin hingeraten, und warum verlor Maletorrex kein Wort über sie oder die Schwarzseherin?
Weil die Macht der Bruderschaft noch längst nicht so gefestigt ist, wie der Hohepriester dir gegenüber den Eindruck erwecken möchte. Wenn du die Gelegenheit hättest, ein einziges Wort zu sagen, und die Städter zur Revolution aufrufen könntest, wäre ihre Macht gebrochen. Oder wenn ein anderer der neun seine Stimme erheben würde ...
»Du lachst?«, unterbrach Maletorrex ihre Gedanken. Er beugte sich weit vor, und deutete mit einem Finger bedrohlich in Shires Richtung. »Du lachst mich aus, Gesandte? Mir scheint, dass du deine Lage noch immer nicht richtig begriffen hast!«
Er krümmte einen Zeigefinger. Augenblicklich musste sie sich erheben und näher an den Dicken herantreten. So nahe, dass sie ihn riechen musste. Den Schweiß, die säuerlichen Ausdünstungen.
»Ich verstehe dich nicht, Weib! Warum leistest du nach wie vor Widerstand? Warum ergibst du dich nicht deinem Schicksal? Alles wäre so viel leichter für dich. Weniger Schmerz, weniger Strafen, weniger Demütigungen. Du brauchst bloß ein klein wenig nachzugeben, dich treiben zu lassen und diese lächerlichen Gedanken an das Wohlbefinden der Bewohner Dar Anuins ein für alle Mal zu vergessen. Komm näher. Ganz nahe. Sieh mich an. Sag mir, dass ich dir gefalle. Dass du mir dienen wirst. Ein Wort von dir, und es wird alles wieder gut ...«
Die Maske bearbeitete Shire. Ließ Hitze aufwallen, ihre Blicke verschwimmen. Sie verwässerte ihren Sinn für die Realität und ließ jeden vernünftigen Gedanke zur Qual werden.
Sie sank vor dem Hohen Priester auf die Knie. Er erteilte irgendwelche Befehle. Sie verstand nicht, was er von ihr wollte. Sie tat, was er befahl, und plapperte Worte nach, die er ihr eintrichterte.
Doch Maletorrex war nicht zufrieden. Irgendwann stieß er sie beiseite, sodass sie stürzte.
»Ich fühle noch immer diesen Widerstand in dir!«, rief er. »Du willst dich nicht mit deinem Schicksal abfinden.« Er schüttelte wütend den Kopf und bedeutete ihr dann, den Raum zu verlassen.
Shires Beine gehorchten ohne ihren Willen. Sie wollte weinen, die Maske verbot es ihr.
13
Der Weg
ins Innere
N ein!«
Zoe schreckte hoch und richtete sich in ihrem Bett auf. Die Hände waren um die seidene Decke gekrampft, sie atmete schwer.
Sie war zurück! Aber wie ... Was war geschehen?
»Was ist los, Herrin?« Aramie kam ins Zimmer gestürmt, hinter ihr weitere Dienerinnen.
»N... nichts. Ich hatte bloß einen Albtraum.« Gewohnheitsmäßig wollte sie sich an der Nase kratzen. Sie berührte das Metall der Maske und unterdrückte einen Fluch.
»War es derselbe wie in den Nächten zuvor, Herrin? Bist du wieder durch den Palast gelaufen auf der Suche nach geheimnisvollen und unbekannten Wegen?«
»Ja.« Zoe seufzte. Es war jedes Mal derselbe seltsame Traum. Sie unterschieden sich nur in Details voneinander. Manchmal nahm sie den rechten oder linken Weg, einmal hatte sie sich für das Loch entschieden. Und niemals konnte sie sich daran erinnern, was sie am Ende des Gangs erwartete. Stets wachte sie auf, voller Panik, noch bevor sie den entscheidenden Schritt getan hatte.
»Wie ich sehe, seid ihr bereits mit den Frühstücksvorbereitungen beschäftigt«, sagte Zoe, um sich von den Gedanken an den Traum abzulenken, die sich ohnedies immer nur im Kreis bewegten. »Da kann ich genauso gut gleich aufstehen. Der alte Quälgeist wird sicher bald nach mir verlangen.«
Die Maske sandte ein alarmierendes Signal an sie aus. Rings um die Nase wurde es warm, auch das Blaue Mal schien Hitze auszustrahlen. Beide Symbole ihrer Macht wollten nicht, dass sie despektierlich über Extevirra sprach, die Lirla in der Rolle als ihre meistgehasste Person im Oberpalast längst überholt hatte. Die Gläubige war von einer beispiellosen religiösen Entrücktheit und damit unberechenbar. Bei Lirla hingegen wusste Zoe, woran sie war. Die Syndicatin kannte in ihrer Gemeinheit
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