Schattenmacht
sie waren nicht einmal dazu in der Lage, das Fluchtfahrzeug aufzuspüren. Haben Sie irgendwelche disziplinarischen Maßnahmen ergriffen, Mrs Mortlake?«
»Nein, Sir.« Die Frau schaute trotzig auf. »Wünschen Sie meinen Rücktritt, Sir?«
Der Vorsitzende überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. »Es reicht, dass Sie einen der Torhüter haben«, sagte er. »Wir brauchen nur den Kreis zu durchbrechen und haben gewonnen. Trotzdem werden Sie jemanden entlassen müssen, Mrs Mortlake. Für Versager ist in unserer Organisation kein Platz.«
»Natürlich, Herr Vorsitzender. Daran habe ich auch schon gedacht.«
»Und ich möchte, dass Sie sich persönlich um Scott Tyler kümmern. Ich halte es für angebracht, dass er vorerst am Leben bleibt.«
»Ich verstehe. Vielleicht können wir ihn sogar brauchen. Ich hoffe, ihn auf unsere Seite zu bekommen.«
»Gut.«
Dieses kleine Wort war das höchste Lob. Der Vorsitzende lobte seine Mitarbeiter nie, denn bei Nightrise war Perfektion eine Selbstverständlichkeit.
»Wie ich eingangs sagte, ist dies eine kritische Zeit. Es ist aber auch eine sehr positive Zeit, und bevor wir uns trennen, möchte ich Ihnen einen Geschäftspartner vorstellen, dessen Name Ihnen sicher bekannt ist. Wir arbeiten schon viele Jahre zusammen, und er hat sich freundlicherweise bereit erklärt, heute zu Ihnen zu sprechen.«
Ein vierzehnter Bildschirm, der bisher nicht in Betrieb gewesen war, flackerte auf. Anfangs sah es aus, als stimmte etwas mit der Übertragung nicht. Der Kopf, der auf dem Bildschirm auftauchte, sah viel zu lang und zu schwer für den Hals aus, der ihn stützte. Die Augen lagen hoch oben über einer Nase, die unendlich weit von dem kleinen und fast kindlichen Mund entfernt war. Das Bild wirkte verzerrt – aber tatsächlich war die Verbindung in Ordnung. Der Mann war Diego Salamanda, der Besitzer von Salamanda News International. Er meldete sich aus seinem Forschungszentrum in der peruanischen Stadt Ica. Und er sah wirklich so aus.
»Guten Abend«, begann er. In Peru war es jetzt kurz nach sieben. »Es ist mir eine große Freude, zu Ihnen sprechen zu dürfen. Ich möchte Ihrem Vorsitzenden dafür danken, dass er mich zu Ihrer Konferenz eingeladen hat. Es gibt hervorragende Neuigkeiten, die ich mit Ihnen teilen möchte.
Ich hatte die Gelegenheit, das Tagebuch des verrückten Mönchs von Cordoba zu lesen, das vor Kurzem in Spanien entdeckt worden und danach in meinen Besitz gelangt ist. Ich brauche Sie sicher nicht darauf hinzuweisen, dass dies die einzige Schrift ist, die sich ausführlich mit der Geschichte der Alten und ihrem Kampf gegen die fünf Kinder befasst, die als Torhüter bekannt wurden. Vor rund zehntausend Jahren beherrschten die Alten die Erde. Sie waren allmächtig, doch sie wurden besiegt – dem Tagebuch zufolge durch einen Trick. Leider werden keine Einzelheiten genannt. Es gab eine große Schlacht, in der die Alten unterlagen und von der Erde verbannt wurden. Zwei Tore wurden errichtet, um ihre Rückkehr zu verhindern. Seitdem haben viele von uns unermüdlich daran gearbeitet, ihnen erneut Zutritt zur Erde zu verschaffen.
Durch das genaue Studium des Tagebuchs habe ich alles erfahren, was ich wissen musste, und ich kann Ihnen ohne jeden Zweifel versichern, dass wir in Kürze am Ziel unserer Wünsche sein werden und dass dann ein neues Jahrtausend anbrechen wird. Ja, meine Freunde, die Alten werden zurückkehren und die Kontrolle über eine Welt übernehmen, die ihnen schon immer gehört hat.«
Er verstummte schwer atmend. Das Sprechen tat ihm weh. Ihm tat fast alles weh, was daran lag, dass man ihn kurz nach seiner Geburt so verstümmelt hatte.
»Wir haben jetzt Mitte Juni«, fuhr er fort. »Der 24. Juni ist in meinem Land ein bedeutender Tag. Wir nennen ihn Inti Raymi, Sommersonnenwende. An diesem Tag wird sich das zweite große Tor, das in der Nazca-Wüste liegt, öffnen. Die sorgfältige Lektüre des Tagebuchs hat mir einen Weg gezeigt, das Tor zu öffnen, und davon kann mich jetzt nichts mehr abhalten.«
Er hob eine Hand. Neben seinem Kopf sah sie lächerlich klein aus.
»Aber wir haben Feinde«, sagte er. »Es ist kaum zu glauben, aber diese Kinder, die uns vor so langer Zeit besiegt haben, sind irgendwie zurückgekehrt. Ich denke, Sie haben zwei von ihnen in Amerika gefunden. Und zwei von ihnen sind hier, in Peru. Sie waren erst gestern auf meiner Hacienda und haben dort herumgeschnüffelt. Einer von ihnen ist Engländer. Sein Name ist Matthew
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