Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
standen, die sich unwissend dazugesellten und dem Stück eine völlig andere Wendung gaben.
Ruckartig schob er die Decke von seinem Körper und stand auf. In Unterwäsche setzte er sich an den Schreibtisch und fixierte seine Ideen auf einem DIN-A4- Blatt. Flüchtige Gedanken waren wie Gas, man musste sie festhalten, bevor sie auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Er schrieb alles auf, was er als Film in seinem Kopf sah: gesprochene Worte, Bewegungen, wann wer schweigen musste, wann wer agieren musste. Er schrieb ein neues Stück, eines, in dem er Regie führte und nicht die Schattenmächte. Nun musste er noch die Schauspieler auswählen, einen hatte er schon, den anderen musste er noch überzeugen. Ihn fröstelte. Er griff nach seinem Handy und tippte schnell die Nummer ein.
»Hallo, Lorenz, wie geht es Ihnen?«
»Ja, ganz gut. Sind Sie okay, Martin? Sie klingen so … gehetzt.«
»Na ja, kein Wunder. Ganz Hamburg ist scheinbar hinter mir her.«
Lorenz lachte. War es ein Lachen? Martin war sich nicht sicher. Es klang wie Krächzen.
»Der Haftbefehl gilt international, nicht nur für Hamburg.«
»Hab ich mir gedacht. Das ist bald vorbei, Chef.«
Lorenz vernahm das Wort Chef und genoss es wie warmen Tee, der in jenen Zeiten der Kälte den Körper erwärmt.
»Kann ich reden?«
»Klar, ich bin scheinbar Luft für alle. Mein Schreibtisch ist leer wie meine Zukunft, im Papierkorb liegen zerrissene Notizen, die ich mir gemacht habe. Nach Ansicht Schöllers taugen sie nichts. Ich bin kurz davor, die Brocken hinzuschmeißen. Also, was kann ich für Sie tun?«
»Haben Sie Lust, Schöller mal gehörig in den Arsch zu treten?«
»Lust hätte ich schon, aber vermutlich wäre das meine letzte Amtshandlung in diesen heiligen Hallen.«
»Im Gegenteil. Es wäre die erste in einem neuen Leben als mein neuer alter Chef. Ich habe die Möglichkeiten und die Mittel, Schöller das Handwerk zu legen und mein altes Leben zurückzubekommen. Es wäre ein gefährliches Spiel, aber es ist meine einzige Chance.«
»Klingt ganz nach meinem alten Pohlmann. Was hätte ich zu tun?«
»Nicht viel. Ich brauche Sie gewissermaßen als Statist, diesmal aber in einem echten Krimi. Sie müssen nicht viel machen, nur eine Maske tragen und verängstigt tun. Meinen Sie, Sie schaffen das?«
»Verängstigt tun? Ich denke schon, aber Sie müssen schon ein bisschen konkreter werden.«
»Das mache ich auch, zu gegebener Zeit. Ich wollte mich erst versichern, ob ich auf Sie zählen kann.«
»Das konnten Sie schon immer, Pohlmann. Ich glaube kein Wort von dem, was gegen Sie vorgebracht wird. Wäre echt schade um einen Beamten wie Sie. Bisschen schräg waren Sie ja schon immer, aber schade wäre es trotzdem.«
»Danke, Chef. Sie werden es nicht bereuen.«
*
Martin wählte die nächste Nummer. »Hi, Werner, was geht ab bei euch?«
»Abgesehen davon, dass alle über dich reden, ist alles wie immer. Schöller ist nervös wie ein Tanzschüler vor seinem Abschlussball. Hampelt hier rum und kontrolliert jeden Mitarbeiter. Er hat in der letzten Sitzung offen ausgesprochen, was ihn umtreibt. Dass er einen Maulwurf in seiner Abteilung vermutet, dass alle Last allein auf seinen Schultern liegt und dass es niemanden gibt, dem er trauen kann. Er verliert immer häufiger die Fassung, seine Autorität schmilzt gleichzeitig dahin wie Eis in der Sonne. Wir schütteln alle nur die Köpfe und wundern uns. Er wirkt wie jemand, der bald durchdreht. Einerseits ist er panisch auf der Suche nach irgendetwas oder irgendjemandem und andererseits ringt er verzweifelt um seine Autorität, die ihm abhandengekommen ist. Es gibt Momente, da tut er mir fast leid, obwohl ich ja mittlerweile weiß oder ahne, wer sich hinter dem Namen Reinhard Schöller wirklich verbirgt. Wie geht es dir?«
»Beschissen, obwohl ich heute in meiner Planung ein großes Stück vorangekommen bin. Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe, ich brauche deine Hilfe.«
»Was hast du vor?«
»Das kann dir noch nicht auf die Schnelle erzählen, aber ich bin ziemlich aufgeregt. Ich muss etwas tun, was ich noch nie getan habe, aber es scheint mir der einzige Weg zu sein, mein altes Leben und hoffentlich Catherine zurück zu bekommen.«
»Das klingt nicht gut, Martin. Gib mir wenigstens ein Stichwort.«
»Sagen wir so, ich werde bluffen. Der große Bluff.« Martin lachte ins Telefon. Es wirkte wesensfremd auf Werner. Martin fuhr fort.
»Ich werde ein anderer sein, ein Schauspieler wie beim letzten Mal, als
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