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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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an sie erinnert … das ist zu viel. Es wäre für jeden zu viel. Er weiß, dass es für das Mädchen traumatisch wäre, als mentale Sendestation
zu dienen, aber er redet sich ein, das sei akzeptabel, wenn man dadurch Leben retten kann. Weil Bertha aber so ist, wie sie ist, kann er nicht weitermachen. Sie ist unschuldig, wie auch Stormy es war, und einen unschuldigen Menschen will er nicht benutzen.«
    Ich warf einen Blick auf Bertha mit ihrem Hundebuch. »Ma’am, wenn ich sie als Brücke zwischen den Lebenden und den Toten benutze … was ist, wenn dadurch die Erinnerung an die Mordnacht, die sie vergessen hat, zurückkehrt? Dann steht sie womöglich mit einem Bein in jeder der beiden Welten und kann nie mehr ganz in unserer sein und hier Frieden finden. Man hat sie bereits einmal benutzt, als wäre sie bloß ein Gegenstand gewesen, benutzt und weggeworfen. Das darf nicht wieder geschehen, egal, welche Rechtfertigung es geben mag. Nie wieder.«
    Aus einer Innentasche seines Mantels, den er über den Arm gelegt hatte, zog Romanovich eine längliche Brieftasche und daraus eine kleine laminierte Karte, die er mir nicht sofort unter die Nase hielt.
    »Mr. Thomas, wenn Sie einen zwanzigseitigen Bericht über mich lesen würden, der von erfahrenen Geheimdienstleuten erstellt wurde, dann wüssten Sie nicht nur alles, was sich über mich zu wissen lohnt, sondern auch Dinge, die nicht einmal meine Mutter interessiert hätten, sosehr sie mich auch vergöttert hat.«
    »Ihre Mutter, die Attentäterin.«
    »Ganz recht.«
    »Wie bitte?«, mischte sich Schwester Angela ein.
    »Außerdem war meine Mutter Konzertpianistin.«
    »Wahrscheinlich war sie auch noch eine Meisterköchin«, sagte ich.
    »Stimmt! Kuchenbacken habe ich von ihr gelernt. Jedenfalls – nachdem ich einen zwanzigseitigen Bericht über Sie gelesen hatte, Mr. Thomas, glaubte ich, alles über Sie zu wissen, aber wie sich nun herausstellt, wusste ich nur wenig, was von Belang ist. Damit
meine ich nicht nur Ihre … Gabe. Ich meine, ich wusste nicht, was für ein Mensch Sie sind.«
    Obwohl ich nicht gedacht hätte, dass der Russe ein Heilmittel gegen Melancholie sein könnte, erwies er sich mit einem Mal als wirksamer Stimmungsaufheller.
    »Was hat eigentlich Ihr Vater getan, Sir?«, fragte ich.
    »Er hat Menschen für den Tod vorbereitet, Mr. Thomas.«
    So verdutzt hatte ich Schwester Angela noch nie gesehen.
    »Also liegt das in der Familie, Sir. Wieso bezeichnen Sie Ihre Mutter eigentlich so konkret als Attentäterin?«
    »Weil ein Attentäter jemand ist, der sich nur gegen wichtige politische Zielpersonen wendet.«
    »Während ein Leichenbestatter nicht so wählerisch ist, ja?«
    »Auch ein Leichenbestatter geht nicht willkürlich vor, Mr. Thomas.«
    Falls Schwester Angela nicht regelmäßig Zuschauerin bei Tennisturnieren war, hatte sie morgen früh sicherlich einen steifen Hals.
    »Ich möchte wetten, Ihr Vater war außerdem ein exzellenter Schachspieler«, sagte ich.
    »Er hat nur eine einzige Landesmeisterschaft gewonnen.«
    »Offenbar war er zu sehr mit seiner Karriere als Leichenbestatter beschäftigt.«
    »Nein. Leider wurde er gerade zu der Zeit, als er am leistungsstärksten war, zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.«
    »So ein Mist!«
    Romanovich gab mir endlich die laminierte Karte, die er aus seiner Brieftasche gezogen hatte. »Das war in der ehemaligen Sowjetunion, und was ich selbst angerichtet habe, das habe ich gestanden und gebüßt«, sagte er dabei zu Schwester Angela. »Nun stehe ich schon lange auf der Seite von Wahrheit und Gerechtigkeit.«

    Es handelte sich um einen Ausweis mit Passbild und holografischen Sicherheitsmerkmalen. »National Security Agency«, las ich vor.
    Schwester Angela sah mich fragend an.
    »Das ist ein Geheimdienst, der sich hauptsächlich mit der Überwachung elektronischer Kommunikation, aber auch mit anderen Dingen beschäftigt«, klärte ich sie auf.
    »Ganz recht, Mr. Thomas. Nachdem ich beobachtet habe, wie Sie mit Jacob und dem Mädchen da umgegangen sind, habe ich beschlossen, Sie ins Vertrauen zu ziehen.«
    »Wir müssen uns vorsehen, Ma’am«, sagte ich warnend. »Womöglich entzieht er es uns gleich wieder.«
    Sie nickte, sah jedoch noch genauso verdutzt wie vorher aus.
    »Wir müssen uns irgendwo unterhalten, wo wir ungestört sind«, sagte Romanovich.
    Ich gab ihm seinen Ausweis zurück. »Zuerst will ich kurz noch einmal mit dem Mädchen sprechen.«
    Als ich mich wieder vor Sommer auf den Boden hockte,

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