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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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bleiben. Ich hatte Seitenstiche. Angestrengt lauschte ich in die Dunkelheit. Nichts war zu hören. Von meinem eigenen angestrengten Atem mal abgesehen. Um ganz sicherzugehen, wartete ich einen Augenblick. Dann war ich überzeugt, die beiden wirklich abgehängt zu haben. Gott sei Dank. Jetzt musste ich nur meine Route wieder finden.
    Im Licht einer Straßenlaterne schaute ich auf meine Uhr. Halb zehn. Verdammt. Mir blieb nicht viel Zeit, zur Bushaltestelle zu kommen.
    Denselben Weg zurück konnte ich nicht nehmen. Ich war mir sicher, die Jungen warteten dort auf mich.
    Ausgerechnet jetzt überkam mich eine große Müdigkeit. Ich sehnte mich nach meinem Bett, dem weichen Kopfkissen, der herrlich federnden Matratze. Meine Beine fühlten sich schwer wie Blei an. Ich zwang mich, so gut es eben ging, zur Eile und ignorierte die Schmerzen in meinen Waden und die quälenden Seitenstiche.
    Jeder noch so kleine Laut ließ mich zusammenzucken und verängstigt stehen bleiben.
    Als ich das Motorengeheul vorbeifahrender Autos vernahm, wusste ich, dass ich mich einer Hauptstraße näherte. Ich war auf dem richtigen Weg! Fast wäre ich erleichtert gewesen, hätte ich nicht plötzlich hinter mir ein Knacken vernommen.
    Es schien fast, als wüchsen sie wie zwei unheilvolle Dämonen aus dem Boden empor. Stachelkopf und sein großer Freund.
    Ich rannte zur Hauptstraße. In Gedanken sandte ich ein Stoßgebet zum Himmel, dass mir irgendwer zu Hilfe kommen möge. Ich wandte den Kopf und erschrak fast zu Tode, als ich sah, wie weit sie schon zu mir aufgeschlossenhatten. Sie klebten mir förmlich an den Hacken! Da stieß ich im vollen Lauf gegen einen Widerstand, stürzte zu Boden und landete unsanft auf meinem Po.
    »Jorani?«
    Vor mir stand ein junger Mann, der plötzlich um die Ecke gebogen war. Seine Stimme klang sanft, vor allem aber vertraut. Rin!
    »Du musst mir helfen«, sagte ich aufgelöst und zugleich unendlich erleichtert, ihn zu sehen.
    »Och, wie niedlich. Der Retter in der Not ist auch schon eingetroffen«, höhnte der Stachelkopf.
    Rin half mir auf und stellte sich schützend vor mich.
    »Na, dann wollen wir doch mal sehen, was so ein Indianer verträgt.« Der Junge mit dem Basecap machte einen Schritt auf Rin zu und holte aus. Ich duckte mich instinktiv hinter ihm und erwartete, jeden Moment das Knacken von Rins Nasenbein zu hören. Und tatsächlich vernahm ich keine Sekunde später das Knirschen von Knochen, gefolgt von einem gequälten Aufschrei. Doch es war nicht Rin, der schrie. Ich hob den Kopf und sah, dass dieser die Faust des Riesen mit der Hand abgefangen hatte. Er quetschte sie so fest, dass die Fingerknochen knackten. Der Riese stöhnte lauter. Es klang wie das Jaulen eines Hundes, den ein herzloser Besitzer mit dem Gürtel schlug.
    »Ach du Scheiße«, stammelte der Stachelkopf, wich zurück und stieß dabei mit dem Rücken gegen eine leere Mülltonne, die scheppernd umfiel.
    Der Riese sank vor Rin auf die Knie. »Mann, das tut verdammt weh!«
    »Ihr werdet Jorani von jetzt an in Ruhe lassen, verstanden?«
    »Alles, was du willst.«
    Rin ließ den Jungen abrupt los, der sich sofort hochrappelte und einige Schritte zurücktaumelte. Ungläubig starrte er auf seine malträtierte Hand.
    »Du hast mir fast die Finger gebrochen, Mann!«, schrie er los.
    Rin blieb von dem Geschrei des Jungen unbeeindruckt. »Verschwinde!«, sagte er ruhig und doch bedrohlich. Ein leises Knurren drang aus seiner Kehle, das immer lauter wurde und die Jungs in Panik versetzte. Sie ergriffen die Flucht, rannten die Gasse hinunter. Ich war sprachlos. Zum einen, weil ich es nicht fassen konnte, wie feige dieses Pack war, das sich augenscheinlich nur an Schwächeren verging. Und zum anderen, weil es mich schwer beeindruckt hatte, wie mühelos Rin den Angriff des deutlich größeren Jungen abgewehrt hatte. Es hatte ihn nicht die geringste Anstrengung gekostet. Er musste die Reflexe einer Raubkatze besitzen.
    »Wie … hast du das … gemacht?« Ich war noch immer so aufgelöst, dass ich meine Stimme kaum wiedererkannte. Sie schien so merkwürdig fern. Als riefe mir jemand von der anderen Straßenseite zu. In Zimmerlautstärke.
    Rin drehte sich zu mir um. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich. Die gehobenen Brauen senkten sich, und seine dunklen Augen bekamen einen sanften Ausdruck.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte er besorgt. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. »Haben sie dich verletzt?« Er musterte mich von oben bis unten.
    »Nein.

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