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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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ich.
    »Du meinst, wie du dich verwandelst?« Ich wurde aufgeregt. Die ganze Zeit über, seit ich sein Geheimniskannte, fragte ich mich, wie es funktionierte. Es nun mit eigenen Augen mit ansehen zu dürfen wäre ein Traum.
    »Nichts würde ich lieber sehen.«
    »Dann komm.«
    Er verließ die Straße und steuerte auf die weite Graslandschaft zu. Von hier aus konnte ich die ersten Ausläufer des Waldes sehen. Riesige Bäume, die weit in den Himmel ragten und mit ihren Kronen den Horizont zu berühren schienen. Rin war so unglaublich schnell, dass ich nicht länger mit ihm mithalten konnte und seine Hand loslassen musste. Sosehr ich auch kämpfte, ich konnte ihn nicht mehr einholen. Bald war er nur ein verschwommener Punkt in der Ferne, der auf einen anderen, viel größeren Punkt zusteuerte, der ihm entgegenkam. Und in einer Geschwindigkeit, die weit über seine hinausging. Keuchend schleppte ich mich weiter, bis ich zumindest seinen Körper wieder als solchen erkennen konnte. Ich hatte schreckliche Seitenstiche, bekam kaum noch Luft und musste mich hinsetzen.
    Der zweite Punkt war ein Pferd. Je näher es Rin und somit auch mir kam, desto besser konnte ich es erkennen. Mit wehender Mähne und wehendem Schweif, eine Spur aus glitzerndem Staub hinter sich her ziehend, kam es auf Rin zugaloppiert, der plötzlich stehen blieb, seine Jeans abstreifte und die Arme ausbreitete, als wollte er davonfliegen. Er machte nicht die geringsten Anstalten, dem Tier auszuweichen.
    »Zur Seite!«, rief ich, so laut ich trotz meiner Seitenstiche konnte. Aber er schien mich nicht zu hören.
    Das Pferd setzte zum Sprung an. Jeden Augenblick würde es Rin zu Boden reißen. Ich kniff die Augen zusammen, wartete auf einen Schrei, aber es kam keiner.
    Vorsichtig blickte ich auf und sah, wie die Vorderhufe geisterhaft in seinen Körper drangen, als würden sie von ihm absorbiert. Der Leib des Pferdes folgte, verschwand gänzlich in ihm, trat nicht auf der anderen Seite wieder hinaus.
    Rins Rücken bog sich unnatürlich weit nach hinten. Fast schien es, als würde er sich gleich nicht länger auf den Beinen halten können. Eine Spirale aus glitzernden Teilchen umhüllte ihn, schloss ihn in sich ein wie in eine Seifenblase. Es war ein einziges Strahlen. Die Teilchen legten sich auf seine Haut, brachten auch diese zum Leuchten. Es sah aus, als ob ein Schwarm Glühwürmchen sich an seine Arme und Beine geheftet hatte. Kaum einen Zentimeter seines Körpers ließen sie aus. Das Licht drang aus seinen Augen und seinem Mund, überall aus ihm heraus. Dann fand er sein Gleichgewicht wieder.
    Aus seinen Beinen formten sich starke Muskeln, und seine Haut nahm eine dunklere Farbe an. Ich wusste, dass es Fell war. Je näher ich ihm kam, desto mehr Einzelheiten konnte ich erkennen. Aus seinen Menschenbeinen entstanden die Läufe eines Pferdes. Auch ein gewaltiger Rumpf wuchs aus ihm empor, wodurch sein Kopf über einen Meter in die Höhe schoss, weil sich unter ihm ein neuer, weitaus stärkerer Körper bildete. Es war unglaublich. An der Stelle, wo eigentlich der Hals des Pferdes hätte sein müssen, befand sich Rins Oberkörper, der nun, da er sich mit dem Geist des Onpatok vereint hatte, noch kräftiger wirkte. Er glich den Darstellungen der Wesen aus der griechischen Mythologie.
    Erhaben drehte er sich um und kam auf mich zu. Ichverspürte keine Angst. Ich wusste, dass er mir nichts tun würde.
    Der Sand unter seinen Hufen wirbelte auf und bildete eine im Licht des Mondes glitzernde Wolke. Dicht vor mir blieb er stehen. Er war so unglaublich groß, so wunderschön, ich musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn in seiner Gänze bewundern zu können.
    »Komm«, sagte er und reichte mir die Hand. Ich nahm sie an, und er zog mich auf seinen Rücken.
    »Nicht«, hauchte ich. »Du weißt doch, ich kann nicht reiten.«
    »Auf Larki hast du keine schlechte Figur gemacht«, erinnerte er mich. »Halt dich einfach gut fest, dann kann dir nichts passieren.«
    Ich spürte das dichte Fell durch meine Jeans hindurch. Es war unglaublich, dass es Teil von ihm war. Meine Arme legten sich um seine Taille. Ein merkwürdiges und doch seltsam vertrautes Gefühl, auf ihm zu sitzen. Er kam mir größer als Larki vor. Der Boden schien unendlich weit entfernt.
    »Bist du bereit?«
    »Bereit«, antwortete ich zögerlich.
    »Ich werde sehr vorsichtig sein«, versprach er und trabte los. Ich verlor vor Schreck fast das Gleichgewicht und rettete mich, indem ich mich eng an seinen

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