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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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bedeutete, es musste sich hinter der Felswand befinden.
    »Siehst du die Sträucher dort?«
    Ich nickte.
    »Sie wachsen nur aus einem Grund genau an dieser Stelle. Um den Eingang Ven’Callas’ zu bewachen.«
    Wir näherten uns dem Fuße des Berges. Vorsichtig tastete ich den kalten Stein ab, versuchte, die Äste undZweige auseinanderzuschieben und hindurchzugucken. Dahinter lag tiefe Dunkelheit.
    »Das ist eine Höhle.«
    »Nein, ein Tunnel.«
    »Es wird schwierig, hier durchzukommen.« Ich hatte keine Idee, wie ich mich da vorbeizwängen sollte, ohne das Geäst und somit den Sichtschutz, den es bot, zu zerstören. Und das wollte ich keinesfalls, brachte ich doch damit die Kentauren in Gefahr, von Menschen entdeckt zu werden.
    »Schau nur, Jorani.« Isaac hatte eine Lücke in den Sträuchern gefunden. Vorsichtig schob er die Zweige, die förmlich ineinanderverhakt waren und so einen natürlichen Vorhang bildeten, auseinander. Ich steckte den Kopf hindurch und spähte in die Dunkelheit. Es war tatsächlich ein Tunnel. An seinem Ende strahlte Licht.
    Ich zwängte mich durch die Sträucher in den Gang. Zweige blieben an meiner Jeans hängen, brachen ab, aber schließlich hatte ich es geschafft, ohne einen einzigen Kratzer davonzutragen.
    »Komm«, sagte ich und hielt die Öffnung für Isaac auf, aber er blieb vor dem Eingang stehen und schüttelte den Kopf.
    »Was ist denn?«
    »Tut mir leid, Jorani, ich kann dich nicht begleiten. Ab hier musst du allein weiter.«
    Ich schluckte. Die ganze Zeit war ich davon ausgegangen, dass wir gemeinsam das Dorf betreten würden. Das hatte mir ein Gefühl von Sicherheit gegeben. Nun war ich plötzlich auf mich allein gestellt, was mich jedoch nicht von meinem Plan abbringen konnte.
    »Ich bin ihnen nicht willkommen«, erklärte er undsenkte den Blick. »Und ich hasse es, dich allein gehen zu lassen.«
    »Nein, das ist in Ordnung. Du hast bereits viel für mich getan«, erwiderte ich, denn mir wurde klar, dies war meine Aufgabe. Nicht seine. Es ging um meinen Freund. Isaac hatte nichts mit dem Ganzen zu tun. Ich konnte also auch nicht erwarten, dass er eine weitere Regel für mich brach.
    Er nickte dankbar. »Ich warte hier auf dich.«
    »Gut.«
    Ich ließ die Zweige los, und sie legten sich wie ein grünes Vlies über den Eingang. Ich war überrascht, wie elastisch sie nachgaben.
    »Jorani.«
    »Ja?« Ich spähte durch die Zweige zur anderen Seite.
    »Pass auf dich auf. Mein Vater sagt, sie sind Fremden nicht sonderlich wohlgesinnt.«
    »Ich weiß.« Das machte mir auch Sorgen. Aber meine Sorge um Rin war um einiges größer.
    Entschlossen tastete ich mich an der Wand entlang, die im Gegensatz zum Boden sehr eben war. Der Stein fühlte sich beinahe glatt an. Ich fand kaum Risse oder Spalten und fragte mich, ob dieser Gang auf natürlichem Weg entstanden oder in den Stein gehauen worden war. Kälte durchströmte mich. Der Wind, der an den Wänden widerhallte, trieb sie zu mir. Sie ergriff Besitz von meinen Füßen, meinen Händen, kroch meine Beine hinauf und kühlte mich aus. Ich glaubte, das Blut würde in meinen Adern gefrieren. Auch das würde mich nicht aufhalten. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, die Kälte zu ignorieren. Über mir vernahm ich das leise Fiepen von Fledermäusen. Schließlich wurde die Luft wärmer, und ich erreichte den Ausgang. Er war gewölbt und erhobsich in Form eines Tropfens. Erneut kamen mir Zweifel, ob dieses Gebilde natürlichen Ursprungs war. Die Form erinnerte mehr an ein Kunstwerk. Vielleicht hatten es die Ti’tibrin vor langer Zeit in den Stein geschlagen, um einen Weg nach draußen zu schaffen. Mir würde er nun Zugang zu ihrem Reich sein.
    Ich brauchte all meinen Mut, um den Schutz des Tunnels und seiner sanften Dunkelheit zu verlassen. Meine Beine fühlten sich schwach an. Ich kam mir wie eine Zweijährige vor, die ihre ersten Schritte machte.
    Leicht gab das feuchte Gras unter meinen Sohlen nach. Ich war in einem Talkessel gelandet, in dem unzählige Nadelbäume wuchsen, die viel größer waren als jene außerhalb des Tunnels. Sie standen eng beieinander, bildeten eine Art Mauer, die verhinderte, dass ich hinter sie blicken konnte. Ringsherum befanden sich Felsen und Berge, die dem Dorf ein Schutzwall waren, es umschlossen und einhüllten wie in einen Kokon.
    Aus dem kleinen Wäldchen vor mir drangen die Laute von Nachttieren. Vögel flatterten durch die Luft, setzten sich auf die Äste. Der Wind, der hier draußen viel wärmer war

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