Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
Vom Netzwerk:
als im Tunnel, wirbelte winzige Staubkörnchen auf, die silbern glitzernd durch die Luft tanzten.
    Alles wirkte unendlich friedlich. Dies war ein eigenes kleines Reich, das sich, vom Rest der Welt abgeschottet, entwickelt hatte. Der Geruch von Wald und Wiese lag in der Luft. Und es roch nach Rin. Besser gesagt, nach Kentauren. Ein Duft, der mein Herz höherschlagen ließ.
    Ich hielt meine Augen nach den Ti’tibrin offen. Aber der Wald war zu dicht bewachsen, um irgendetwas zu erkennen. Ich musste näher heran. Vorsichtig kletterte ich über eine riesige Wurzel und blieb vor dem gewaltigen Stamm eines Baumes stehen, der Teil jener natürlichen Mauer war, die das Dorf umgab. Wie alt mochte er sein? Wie alt dieses Tal? Es fühlte sich an, als wäre die Zeit an diesem Ort stehengeblieben. Leise bewegten sich Zweige und Äste im Wind. Ein Schwarm Glühwürmchen flirrte an mir vorbei. Das Gefühl von Frieden breitete sich in meinem Herzen aus. Kein Mensch außer mir hatte diesen Ort jemals betreten. Er war unberührt. Friedlich. In Einklang mit sich selbst. Schmerzlich wurde mir bewusst, dass ich nie ein Teil dieser Welt sein würde, sondern immer ein Fremdkörper blieb. Und doch verspürte ich eine Sehnsucht in mir, die ich nicht beim Namen nennen konnte.
    Langsam ging ich um das Gebilde herum, passierte einen Baum nach dem anderen, tastete die knorrigen Rinden ab, spürte jede Unebenheit, jeden Riss, jede Vertiefung. Irgendwo musste es einen Eingang geben. Ich blinzelte durch eine Lücke, presste mein Gesicht gegen zwei Stämme und entdeckte eine Reihe von Wigwams, die mit Leder, Fellen und Gräsern abgedeckt waren. Zwei Männer saßen am Lagerfeuer, das in der Mitte der Behausungen brannte. Merkwürdig. War die Me’solbrem für heute schon beendet? Das Dorf wirkte wie ausgestorben. War Rin überhaupt hier?
    Just in dem Moment huschte ein Schatten auf der Innenseite der Mauer an mir vorbei. Ich ließ mich rasch auf den Boden fallen und kroch hinter einen Baumstamm, der mir Deckung bot. Das Knirschen von Sand unter leisen, aber hörbaren Schritten brachte meinen Blutdruck auf Hochtouren. Ich drückte mich enger an den Stamm, roch einen animalischen Duft, der mich an Rin denken ließ. Doch dieser war herber. Die eigenwillige süße Note fehlte, die ihm zu eigen war. Ich hielt den Atem an und schaute nach oben. Ein kantiges Männergesicht tauchte zwischen den Bäumen auf und spähte nach draußen, unter den Augen hatte der Mann weiße Streifen.
    »Tiitiin? Zu’g ti.« Es war ein Hauchen, ein Flüstern, das so rau und kalt klang, dass ich eine Gänsehaut und einen Schweißausbruch zugleich bekam.
    »Tiitiin?«, rief der Fremde lauter. Mein Herz schlug so heftig, dass ich sicher war, er konnte es hören. Ich biss mir auf die Unterlippe, nur um keinen unbedachten Laut von mir zu geben, und wartete, hoffte, dass er meinen Geruch nicht wahrnahm. Zu meiner Erleichterung schien er tatsächlich keinen Verdacht zu schöpfen und kehrte zu seinem Wachposten zurück. Gott sei Dank.
    Ich ließ einige Minuten verstreichen, ehe ich mich an der Rinde des Baumes hochzog. Vorsichtig spähte ich an dem Stamm vorbei ins Dorfinnere, als jemand hinter mich trat. »Zlono!«
    Erschrocken fuhr ich herum. Dunkle Augen funkelten mich zornig an. Die Spitze eines Speers war auf mich gerichtet. Reflexartig hob ich die Hände schützend vor meine Brust.
    »Jorani?«, fragte die Frau erstaunt.
    Ein Schatten lag über ihrem Gesicht. Ich konnte es nicht erkennen. Doch ihre Stimme war mir vertraut. Hevova.
    »Bist du … verrückt?«, fuhr sie mich plötzlich heiser an. Ihre Stimme blieb gedämpft, doch ihr Körper bebte. Ich spürte ihren Zorn.
    »Ich suche Rin«, flüsterte ich aufgelöst.
    »Dummes Ding!« Sie packte mich am Arm und zogmich hinter sich her, leise fluchend. Ich leistete keinen Widerstand, war ich doch zu überrascht von ihrem plötzlichen Überfall und zugleich erleichtert, sie zu sehen. Als wir den Tunnel erreichten, drückte sie mich gegen die Felswand. Ich war erstaunt, wie viel Kraft in diesen dünnen Armen steckte. Der Druck schmerzte. Ich konnte mich nicht bewegen.
    »Au«, zischte ich. »Musst du so grob sein?«
    Ein plötzliches Rascheln in den Bäumen ließ sie herumfahren.
    »Sssht! Da ist … etwas.« Sie ließ von mir ab, wich einige Schritte zurück und lauschte in die Dunkelheit.
    Ich konnte nichts hören, sosehr ich mich auch anstrengte. Doch ich hatte auch nicht die feinen Ohren eines Kentauren. Hevova schlich wie eine

Weitere Kostenlose Bücher