Schattenriss
worum es geht. Und egal wie viel Mühe sie sich auch gibt, sie hat grundsätzlich die Arschkarte.«
»Hey«, flüsterte Hinnrichs, der ihnen gefolgt war, und sein Blick hinter den randlosen Brillengläsern war so eindringlich wie selten. »Wir werden sie heil da rausholen, okay?«
Lübke blickte auf wie ein trosthungriges Kind, das in den Arm genommen werden wollte. Gleichzeitig breitete sich etwas wie Verwunderung über sein verschwitztes Gesicht.
»Frau Heller ist verdammt gut in ihrem Job, und aus diesem Grund hat sie bislang alles richtig gemacht. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
Verhoeven musterte seinen Vorgesetzten von der Seite und dachte, dass er eigentlich gar nichts über Hinnrichs wusste. Vor diesen Stunden hätte er nicht einmal sagen können, ob Hinnrichs Winnie Heller mochte. Oder ihn selbst. Wie er dachte und ob er seinen Beamten gegenüber tatsächlich loyal wäre, wenn es hart auf hart kam.
»Und genauso gut, wie Frau Heller die Sache bislang gemeistert hat, wird sie auch wissen, wie sie sich in einer Extremsituation wie der, die jetzt vielleicht auf sie zukommt, zu verhalten hat.« Hinnrichs’ Blick wanderte zu dem schwarzgekleideten Kommandeur des SEK hinüber, der über Funk Kontakt zu seinen Scharfschützen hielt. »Also haben Sie ein bisschen Vertrauen in meine Beamtin, okay?«
Lübke zog geräuschvoll die Nase hoch. Dann nickte er wie ein artiges Kleinkind. »Okay.«
»Gut.« Hinnrichs spähte an Verhoeven vorbei, Richtung Straße. »Was will der denn noch hier?«
Verhoeven drehte sich um und sah Richard Goldstein, der entschlossen auf Brennicke und Büttner zu stapfte, die rund fünfzig Meter entfernt vor der mobilen Einsatzzentrale standen.
Werner Brennickes Adlatus ging ihm entgegen und trat ihm in den Weg, kaum dass er den Unterhändler gesehen hatte. »Sie sind raus, Mann«, sagte er. »Kapieren Sie das nicht?«
Goldstein schob ihn kurzerhand beiseite.
»Stopp!«, rief Büttner, indem er ihn beim Kragen packte. »Wo wollen Sie hin? Haben Sie nicht gehört, was ich gesagt habe?«
Ein Griff von Goldstein, und der Junge geht stiften , sagte Hinnrichs’ Blick, doch der Unterhändler wehrte sich nicht.
»Sie müssen mich mit ihm reden lassen«, rief er stattdessen Werner Brennicke zu, und es klang beinahe flehentlich, wie er das sagte. »Ich weiß, dass ich ihn umstimmen kann.«
Brennicke bedeutete seinem Handlanger, Goldsteins Revers loszulassen, und kam ein paar Schritte auf die beiden zu. »Sie hatten Ihre Chance«, antwortete er kühl. »Also lassen Sie uns jetzt unsere Arbeit tun, wenn Sie Ihre nicht verstehen.«
»Sie sind derjenige, der nichts versteht«, gab Goldstein zurück. »Voigt verfügt über Anstand und Unrechtsbewusstsein. Und obwohl er die Geiseln nun schon länger als achtundvierzig Stunden in seiner Gewalt hat, ist er noch nicht zum Mörder geworden.«
»Erzählen Sie das den Familien von Albert Schweh und Iris Kuhn«, versetzte Brennicke.
Doch Goldstein war nicht zu bremsen: »Begreifen Sie denn nicht?«, insistierte er in beinahe beschwörendem Ton. »Die Übergabe hat funktioniert. Er hat das Geld, und dass wir ihm den Namen des Mannes, der seine Mutter verraten hat, nicht liefern können, war ihm schon lange vor dieser Kirmesaktion klar.«
»Er hat nicht einmal danach gefragt«, platzte Büttner heraus. Goldsteins Kopf fuhr herum. »Was?«
Büttner schien unsicher zu werden und sah zu Verhoeven hinüber. »Nicht wahr? Sie sagten doch, dass er nur das Geld wollte.« Verhoeven nickte, während er gleichzeitig das Gefühl hatte,
dass irgendwo in seinem Kopf eine Schublade aufschnappte. »Dann weiß er also auch das«, flüsterte derweil Goldstein. »Was weiß er?«, schnappte Büttner.
»Dass er Malina bereits in seiner Gewalt hat.«
Werner Brennickes Gesichtsausdruck wechselte von abweisend zu begierig. »Soll das etwa heißen, dass Sie bereits eine Rückmeldung zu dem Foto haben, mit dem Sie in Quentin Jahns Heimatdorf hausieren gehen?«
Goldstein schüttelte den Kopf. »So schnell geht das nicht«, räumte er ein. »Aber es kann nicht anders sein.«
»Warum?« Brennicke lachte höhnisch auf. »Weil Sie es so wollen?«
»Voigt vertraut mir«, sagte Goldstein. »Wenn ich ihm glaubhaft mache, dass ich ihm sagen kann, was er wissen will, lenkt er vielleicht ein.«
»Das wird er nicht«, entgegnete Brennicke endgültig. »Er und seine Kumpane bereiten aller Wahrscheinlichkeit gerade ihren Abgang vor. Und nach allem, was gewesen ist, müssen
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