Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
ins zerstörte Land gegangen, weil er das Leben in der Sphäre nicht länger ausgehalten hat?«
Asamis Nasenflügel blähten sich auf, als würde er etwas Unangenehmes riechen. »Umgebracht hat es ihn jedenfalls nicht«, war alles, was er dazu zu sagen bereit war.
12
Fundstück
Es dauerte nicht lange, bis Asami zu der Einschätzung kam, dass Kastor und seinem gerade wiedergefundenen Schützling ausreichend Zeit zugestanden worden sei. Schließlich standen wichtigere Themen an als eine alte Freundschaft.
»Was ist aus dem Schatten geworden?«
Behutsam befreite Kastor sich aus Nikolais Umarmung. Trotzdem fielen die Schultern des Jungen herab, als fühle er sich schmerzlich zurückgestoßen. Dann schlug er die Hände vors Gesicht. Langsam wanderten seine Finger zur Stirn empor, bis sie auf die silbrige Narbe stießen, in der sich die Asche festgesetzt hatte. Ich spürte, wie sich etwas über mich legte – ein kühler Schatten. Als Nikolai die Hände senkte, war da jedoch wieder sein einnehmendes Lächeln. Der Gemütswechsel ging so rasch vonstatten, dass ich beinahe glaubte, mich getäuscht zu haben.
Unterdessen hatten Asami und Kastor erneut ihre Streithahnpositionen eingenommen.
»Normalerweise würde ich sagen, dass dich der Zustand des Schattens ja nicht zu kümmern braucht, wo du die ganze Suche für überflüssig gehalten hast. Falls es dich beruhigt: Du lagst richtig, die Hülle des Schattens war intakt. Ich habe nicht einmal den geringsten Hauch seiner Aura oder sonst einen Beweis dafür gefunden, dass er die Hülle verlassen hat. Das, was ich da in den Händen gehalten habe, war ein bandagierter Leichnam. Der Schatten existiert nicht
mehr. Das Weiße Licht hat ihn wie erhofft ausgelöscht, und es sieht ganz danach aus, als ob im Vernichteten Gebiet nun auch sein übrig gebliebener Körper vernichtet worden ist.«
Asami zog ruckartig den Kopf zurück. Es überraschte mich immer wieder aufs Neue, wie aggressiv seine Körpersprache sein konnte. »Das sagst du so seelenruhig? Die Hülle sollte im Weißen Licht sein und nirgendwo anders. Im Vernichteten Gebiet gelten andere Regeln. Shirin hat einen Fehler begangen, die Hülle hätte niemals abtreiben dürfen.«
»Nicht schon wieder diese Leier! Das ist ja fast ein Reflex, immer alle Schuld bei Shirin zu suchen«, mischte ich mich ein. »Dieser bandagierte Körper ist jahrhundertelang im Weißen Licht gewesen. Vielleicht hat ihn irgendeine Bewegung abtreiben lassen, das ist doch nicht gerade unwahrscheinlich. Nur, was ändert’s? Kastor sagt, da war nichts mehr, lediglich ein verschnürter Leichnam, der jetzt wahrscheinlich in einem Schlangenmagen langsam zersetzt wird. Also müssen wir woanders nach einem Übeltäter suchen. Ist doch auch viel besser als die Wiederauferstehung des Superbösewichts. «
»Jedes deiner Worte verrät, wie wenig Ahnung du von alldem hast. Es ist gleichgültig, ob vom Schatten nur ein Leichnam übrig geblieben ist. Er gehört ins Weiße Licht und nirgendwo anders hin. Dieser Körper ist das Gefängnis des Schattens. Und so hätte es auch bleiben sollen«, brachte Asami zwischen aufeinandergepressten Zähnen hervor. Damit war ich abgehakt und er wendete sich Kastor zu, um dessen Augen herum es vor Anspannung zuckte. »Warum hast du die Hülle nicht zurück ins Weiße Licht gebracht, obwohl du ihn in deinen Händen gehalten hast? Lass mich raten: Du hast es vorgezogen, stattdessen diesen Nichtsnutz zu retten. Dafür wirst du dich vor der Versammlung verantworten müssen.«
Mit festem Griff packte ich Asami am Oberarm und zog
ihn dicht an mich heran. Ich musste mich leicht hinabbeugen, um ihm ins Ohr flüstern zu können. »Wenn du das vor der Versammlung zur Sprache bringst, dann erzähle ich denen einen Schwank über einen Lichtfresser, den ein gewisser Jemand sich als Sparringspartner hält.«
In Asamis ansonsten schneeweißem Gesicht zeichnete sich tatsächlich Farbe ab: Seine Wangen verfärbten sich blutrot. »Ich bin dein Lehrer. Wie kannst du mich mit etwas erpressen, das mit unseren Unterrichtsstunden zu tun hat?«, brachte er gepresst hervor.
Hinter uns hörte ich Kastor aufkeuchen. Vermutlich war ihm gerade klar geworden, dass es sich bei der Lichtfresser-Geschichte keineswegs um eine billige Ausrede für mein Faulenzen gehandelt hatte. Doch für Genugtuung war jetzt nicht die Zeit, wenn ich Asami umstimmen wollte. » Du bist mein Lehrer, aber Kastor ist mein Freund. Stell meine Loyalität besser nicht auf die Probe,
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