Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse
Berührung auszusetzen. Wir können von euch nicht nur nehmen, wir geben jedes Mal auch ein Stück von uns.«
»Klingt heiß.« Dabei sah Rufus ordentlich abgeturnt aus, sogar Lena in seinem Arm schien vergessen.
»Nun stell dich mal nicht so an, du großer Liebhaber«, knurrte Ranuken, woraufhin Rufus ihm prompt den Mittelfinger zeigte.
Hastig stellte ich mich zwischen die beiden Streithähne. »Entspann dich, Rufus. Wenn’s klappt, ist es keine große Sache, schließlich will ich nur einen Blick in Lenas Zeit als Nikolais Gefangene werfen. Und falls du dich trotzdem peinlich berührt fühlst durch meine mentale Nähe, lösche ich die Erinnerung später.«
»Auf keinen Fall! Ich kenne mich aus mit deinen Löschaktionen, das lässt du mal schön bleiben, verstanden?«
Ich grinste nur.
»Alter, Bristol. Solange du mir das nicht versicherst, dass du …«
»Lass es gut sein«, unterbrach ihn Lena, die unserem Austausch mit sichtlicher Ungeduld gefolgt war. »Nikolai wird mit Mila nicht ewig fort sein, er führt irgendetwas im Schilde, obwohl ich keine Ahnung habe, was es sein könnte. Aber wenn er wiederkommt, sollten wir besser einen Plan haben, anstatt herumkaspernd beisammenzustehen. Wenn Sie also die Freundlichkeit hätten, mich zu küssen, Herr Levander?«
Mehr Aufforderung brauchte Rufus nicht. Liebevoll beugte er sich zu Lena hinab, um ihre Lippen zu finden, und hatte Sekunden später bereits vergessen, dass ich in seinem Rücken stand. Als Lena sich ebenfalls unter seinen Küssen entspannte, fuhr ich unter die Locken, die Rufus’ Nacken bedeckten, und legte meine Hand auf. Es war ein Kinderspiel, über ihn an Lena zu gelangen, zwischen den beiden herrschte wirklich eine innige Verbindung. Was ich allerdings auf diese Weise erfuhr, war alles andere als rosarot.
Aus erster Hand erfuhr ich, wie tapfer Lena gegen ihre Furcht, den Verstand zu verlieren, angekämpft, wie sie Nikolai bei jeder Gelegenheit die Stirn geboten und wie sie ihren Kummer und ihr Heimweh für sich behalten hatte, um Mila beizustehen. Ich wurde Zeuge, wie Mila Nikolais Berührung ertrug und sich immer mehr verlor, wie sie sich wandelte, bis sie Nikolais Gefährtin war. Ich begriff, was geschehen war, und es half mir. Zugleich brachte es mich jedoch fast um. Es musste schrecklich für sie gewesen sein, diesen Prozess durchzumachen. So gesehen war es beinahe eine Erlösung, dass sie sich am Ende vergessen hatte.
Ich hatte meine Hand schon eine ganze Weile zurückgezogen, als Rufus und Lena voneinander abließen, beide sichtlich neben der Spur.
Ranuken stand mit verschränkten Armen vor mir und stierte mich gedankenverloren an, nachdem ich ihm gezeigt hatte, wie Mila sich unter Nikolais Einfluss nach und nach abhandengekommen war. »Mila ist nicht verloren«, erklärte er mit fester Stimme, als wäre Milas Verwandlung nicht mehr als eine vorübergehende geistige Umnachtung. »He, was ist, Sam, sprichst du nicht mehr mit mir? Was hast du?«
»Gib mal Ruhe.« Als plötzlich Asamis Gegenwart auf meinem inneren Radar aufleuchtete, biss ich die Zähne fest aufeinander. Offenbar betrat er gerade die Feste durch den Spalt. Dabei hätte ich einiges dafür gegeben, wenn er ferngeblieben wäre, denn ich wollte seine Einschätzung der Lage lieber nicht hören. Asami galt nicht für umsonst als unerbittlich. Als spürte er meinen Widerwillen, rief er erst gar nicht nach mir, sondern benutzte den Ring wie einen Kompass, dessen Norden ich war, und schon wenige Augenblicke später hörte ich seine Schritte auf der Wendeltreppe.
Ranuken hingegen bekam von Asamis Nahen nichts mit. »Sam, du darfst jetzt nicht aufgeben. Du bekommst deine Mila zurück, ganz bestimmt. Das Dreckschwein hat sie bloß plattgemacht, weil er zu gierig war. Die ist nun quasi ein Nikolai-Klon, so was wie seine weibliche Ausgabe. Sobald wir dem die Lichter auspusten, kommt Mila bestimmt zu sich. Dann seid ihr wieder das glücklichste Liebespaar hier und auf Erden, und ihr … ups, Asami. Was machst du denn für ein finsteres Gesicht?«
Langsam drehte ich mich um.
Asami stand einen Schritt hinter mir und rang um Luft, das befleckte Katana noch in der Hand. Über seine Brust und das Schlüsselbein verlief ein blutender Schnitt, genau wie über seinen Unterarm. Dunkle Prellungen zeichneten sich unter seiner weißen Haut ab und sein Zopf hatte sich aufgelöst, sodass überall auf seinem verschwitzten Oberkörper Strähnen ein Rankenmuster bildeten. Seine schwarze Aura
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