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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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weil man es konnte, war es lange noch nicht okay, mit der Gedankenwelt eines Menschen herumzuspielen. Es war respektlos und fühlte sich falsch an. Zumindest für mich. Asami hingegen schien diesbezüglich nicht die geringsten Bedenken zu haben, vermutlich, weil er sein weltliches Gegenüber nach wie vor nicht als gleichwertig wahrnahm. Als den Menschen haushoch überlegene Schattenschwinge durfte man seiner Meinung nach ruhig ein wenig Pingpong mit den Gedankengängen der Sterblichen spielen. Obwohl ich keinen anderen Weg sah, möglichst umgehend zu Jonas zu gelangen, nahm ich mir fest vor, bei passender Gelegenheit für diese Eingriffe Buße zu tun und ein klärendes Gespräch mit Asami darüber zu führen, dass diese Gabe wirklich nur in äußersten Notfällen eingesetzt werden durfte.
    »Wirklich hervorragend, dass Sie direkt im Anschluss an meine Sitzung mit Ihrem Vater kommen konnten, Samuel. Wie schön.« Dr. Felsenbruck erwartete uns im Empfangsbereich der geschlossenen Abteilung, zu dem uns ein Sicherheitsmann begleitet hatte.
    Jonas’ behandelnder Arzt war ein drahtiger Mann mit grauem Haarkranz, der mich bei unserem letzten Treffen mit seiner Zentriertheit beeindruckt hatte. Nicht viele Menschen waren in der Lage, sich vollkommen einer Sache zu verschreiben. Bei Dr. Felsenbruck brauchte ich nicht einmal meine spezielle Schattenschwingen-Sicht, um zu erkennen, dass dieser Mann für seinen Job lebte. Umso beeindruckter war ich, dass Asami nicht nur den Pförtner blitzschnell auf unsere Pläne einschwor, sondern auch diesen Mann, der nun felsenfest davon überzeugt war, uns bereits sehnsüchtig erwartet zu haben.
    »Guten Tag.« Die Begrüßung kam mir etwas steif über die Lippen. Ein paar Stunden in Asamis Gesellschaft, und schon fiel es mir schwer, mich wie Sam Bristol aus dem Küstenstädtchen St. Martin zu benehmen. Das Klicken, das die Tür in meinem Rücken beim Schließen von sich gab, war dem nicht gerade förderlich. Eingesperrt! Eingesperrt!, hämmerte es irrsinnigerweise hinter meiner Stirn. »Das ist übrigens mein …« Ich stockte, weil ich nicht wusste, wie ich Asami vorstellen sollte. Dann setzte ich noch einmal an. »Das ist Miyamoto Asami, er begleitet mich.«
    Dr. Felsenbruck reichte Asami seine Hand, und zu meiner Überraschung nahm dieser sie mit einer Gelassenheit, als würde er unentwegt Hände schütteln.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Herr Asami«, sagte Dr. Felsenbruck, bevor er sich wieder mir zuwandte. »Normalerweise würde ich es nicht gutheißen, dass eine Person, die dem Patienten unbekannt ist, einem Besuch beiwohnt, aber in diesem speziellen Fall sollte die Rücksicht auf Ihre Situation überwiegen. Schließlich haben Sie ja sehr unter den Auswirkungen der Erkrankung Ihres Vaters leiden müssen, Samuel. Nun, Herr Asami, Sie werden Ihrem Freund sicherlich eine große Stütze sein, aber bitte halten Sie sich, wie in unserem Vorgespräch vereinbart, zurück.«
    Asami nickte gelassen. »Selbstverständlich.« Während ich verdutzt dastand, ermahnte er mich auf mentalem Wege: Sieh zu, dass du deine Gesichtszüge unter Kontrolle bekommst. Diesen Mann zu lenken, ist auch so schon schwierig genug, ohne dass du seine immer wieder aufblühende Skepsis durch deinen offen stehenden Mund befeuerst.
    Ich heftete meinen Blick auf Dr. Felsenbruck, der gerade zu einer Abhandlung ansetzte über die paranoide Psychose, unter der mein Vater seiner Ansicht nach litt. Wobei Jonas ein besonders interessanter Fall sei, weil sein Krankheitsbild so viele Abweichungen von der Norm aufweise.
    Mir schlug das Herz bis zur Kehle, als Dr. Felsenbruck uns in einen hellen Raum führte, dessen Fenster ebenfalls Sprossen zierten. Allerdings waren diese hier nicht aus Holz, sondern aus weiß lackiertem Metall gearbeitet: Fenstergitter, die nicht wie welche aussahen. Man konnte glatt meinen, einen ganz normalen Klinikraum zu betreten, abgesehen von den Alarmschaltern, dem aufs Nötigste reduzierten Mobiliar und der schweren Sicherheitstür mit ihrem Tastenfeld anstelle eines Schlüssels. Und natürlich dem Sicherheitsmann, der uns seit dem Betreten der Geschlossenen an den Fersen heftete und sich nun unauffällig im Hintergrund positionierte.
    Gespielte Entspanntheit war das, und die beunruhigte mich mehr, als wenn man mich in eine Gummizelle aus einem Kinofilm geführt hätte. Es fühlte sich an, als würden sie Jonas Bristol unterschätzen – etwas, was mir nicht passieren würde, egal in welcher

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