Schattenspiel
allein.«
Die drei zogen ab. Laura setzte sich. »Hast du eine Zigarette für mich?« fragte sie. Ken schüttelte den Kopf. Sie seufzte. »Na gut. Hör zu, Ken, soweit ich das verstanden habe, wollen deine sogenannten Freunde mich erpressen, und ich habe das Gefühl, du machst mit ihnen auch noch gemeinsame Sache!«
»Nein, Laura, ich kann nur nichts verhindern.« In seinen schmalen, blaugrünen Augen war kein Bedauern.
»Was verhindern?« fragte sie. »Was haben Joe und die anderen vor?« Eine leise, erste Angst stieg in ihr auf.
»Wir haben nur so ein paar Sachen überlegt«, erwiderte Ken ausweichend, »weißt du, wenn man irgendwie in die Wohnung kommen könnte... einige Dinge mitnehmen...«
»Stehlen!«
»Gut, stehlen. Aber es ist doch nicht gerecht, daß die einen alles haben und die anderen nichts.«
»Du redest wie ein Kind, Ken. Ich mache da nicht mit.«
»Kuntstück! Du hast ja auch alles, was du brauchst. Du mußt dir keine Gedanken um den nächsten Tag machen. Du hast es geschafft.«
»Glaubst du?«
Er musterte sie von Kopf bis Fuß. »Schau dich doch an«, sagte er bitter.
Laura lächelte, es war ein gleichzeitig zynisches und sehr verletzliches Lächeln. »Du kennst mich überhaupt nicht, Ken. Sonst würdest du auf diese kunstvolle Verpackung nicht hereinfallen. Kleider, Schmuck, feine Schuhe – glaubst du, das ändert etwas? Ken, ich sage dir, es ändert überhaupt nichts. Unter all dem Geklimpere bin ich dasselbe Mädchen, das ich immer war, das Mädchen, das nachts durch die Straßen irrt und seine betrunkene Mutter sucht, das sich einsam fühlt, verfroren und allein. Ken, es wird nie anders werden. Ich werde immer Angst haben, mein Leben lang. Ich werde immer allein sein. Niemand und nichts kann mir das nehmen.«
Ken kam auf sie zu, nahm ihre beiden Hände. »Du hast mich, Laura.«
Dich, dachte sie hoffnungslos. Dieses intelligente, empfindsame Gesicht. Und die zerstochenen Arme... Ken, du Idiot, ohne das Heroin hättest du es schaffen können! Du hättest eine Chance gehabt!
»Liebst du diesen anderen Mann?« fragte Ken leise. Diese zarten, goldenen Punkte in seiner Iris... da war eine Spur von Leben, von Gefühl und Anteilnahme.
Laura fiel etwas ein, was June gesagt hatte, irgendwann vor sehr langer Zeit: »Keine Frau vergißt ihren ersten Mann.« Sentimentaler Unsinn, hatte sie gedacht, aber heute ging es ihr durch den Kopf: Ich werde ihn nie vergessen...
Später wußte sie nicht mehr zu erklären, woher plötzlich die Sehnsucht gekommen war, ihm ganz nah zu sein. Der eiskalte,
feuchte Keller, in den nur ein Streifen trüben Herbstlichtes sickerte, hatte nichts Einladendes. Die Matratze mit der dünnen zerfransten Wolldecke darauf stank nach Bier. Vielleicht war es wirklich nur Erinnerung an etwas, was vor langer Zeit hier zum ersten Mal geschehen war. Laura dachte nicht mehr nach. Sie zitterte vor Kälte, nachdem sie ihren Mantel und ihr Kostüm abgelegt hatte, und ihre Zähne schlugen aufeinander, als sie sich auf die Matratze legte; sie starrte auf die kahlen Wände ringsum und lauschte dem leisen Pling-Plong, mit dem irgendwo Wasser auf den steinernen Fußboden tropfte. Und dann war alles wie einst: die Kälte, die Finsternis, und Laura lag in Kens Armen, diesen zerstochenen Armen, und sie roch seinen schlechten Atem, der bereits den Tod versprach. Sie war wieder in der Welt, die sie nie verlassen hatte, nie verlassen würde.
So schweigend, wie sie sich hingelegt hatten, standen sie auf. Während sie sich anzogen – Ken seine uralten Jeans, Laura ihre Strumpfhose mit dem Straß-Emblem YSL für Yves Saint Laurent – sagte Ken: »Laura, Joe meint es ernst. Er will bald David Bellino alles über uns erzählen, wenn du ihm und seinen Freunden nicht Eintritt in das Penthouse verschaffst. Ich kenne Joe. Er hat uns anderen etwas Entscheidendes voraus – er ist clean. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, führt er es auch durch.«
»Ich kann ihm nicht helfen, und ich will es auch nicht.«
»Dann liebst du diesen Mann doch?«
Mit einer heftigen Bewegung zog sie ihren Rock über die Hüften. »Ich brauche ihn, Ken, verdammt noch mal, verstehst du das denn nicht? Ich will nie wieder arm sein! Ich habe Angst vor der Armut, mehr Angst als vor allem anderen. Solange ich David habe, kann ich das hier verdrängen. Ich wache nachts nicht mehr schreiend auf und fürchte mich nicht, abends einzuschlafen. Es ist nicht das Zeug, das ich an mir habe, tolle Kleider, Parfums, Schmuck;
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