Schattenspiel
Inspektor erzählt hast!« sagte Natalie. »Du kommst damit kaum mehr als Täterin in Frage. Es konnte weiß Gott nicht in deinem Interesse liegen, daß David zu diesem Zeitpunkt starb. Selbst wenn er dir bereits einen Scheck ausgestellt hätte, wären sein Tod und eine unklare Erbschaftslage für dich problematisch gewesen.«
»Stimmt. Aber ich sehe nicht ein, daß ich das alles vor diesem Kelly, dieser Schildkröte, ausbreiten soll. Ich weiß sowieso, daß ich es nicht war, deshalb kann ich in Ruhe abwarten, was kommt.«
»Das hat schon manch unschuldig Verurteilter gesagt«, meinte Steve.
»Aber irgend jemand war es doch«, sagte Mary.
»In der Tat«, bestätigte Gina, »und meiner Ansicht nach könnte dieser jemand jetzt endlich ruhig offen reden. Ich glaube wirklich nicht, daß einer von uns ihm daraus einen Strick drehen würde.«
Alle sahen sie an. Gina blieb ernst und gelassen. »Wer auch immer David Bellino war, was auch immer wir falsch gemacht haben – jeder von uns müßte trotz allem Verständnis haben für denjenigen, der ihn erschossen hat. Man kann David gerecht werden und seinem Mörder, das ist in diesem Fall kein Widerspruch. Wenn wir ehrlich sind, trauert keiner besonders um diesen Toten!«
»O Gott, ich habe ihn so gehaßt«, sagte Natalie leise. »Ich habe ihn so sehr gehaßt. Immer hab’ ich ihn vor mir gesehen, wie er mich damals in Crantock im Stich ließ, und jedesmal wurde mir übel vor Haß.« Auf einmal liefen ihr die Tränen über die Wangen. »Ich werde es nie vergessen können, nie, in meinem ganzen Leben nicht. Aber heute bin ich mir nicht mehr so sicher wie damals, daß David mich wirklich gesehen hat. Versteht ihr – daß er mich wirklich erkannt hat. Vielleicht stimmt es, was er sagte, daß er in Panik war, daß er die Nerven verlor. David war kein Engel, aber er war auch kein Teufel, er hatte seine eigenen Lasten zu tragen, und der Inspektor hat recht, wir waren ihm keine guten
Freunde. Er hatte sich mir anvertraut, aber nachdem das Furchtbare passiert war, wollte und konnte ich ihn nicht verstehen. Ich war so kaputt, so völlig am Ende, und alles, woran ich mich festhalten konnte, war mein grenzenloser Haß... wie vergiftet war ich davon...« Sie kauerte sich zusammen und schluchzte, alles brach noch einmal auf, aber ihr Weinen hatte etwas Befreiendes.
Auf einmal redeten sie alle, schwirrten Stimmen durcheinander. Kummer und Angst, fehlgeschlagene Hoffnungen, schmerzliche Enttäuschungen, lange gehegter und gepflegter Haß – alles, was an diesem langen Tag in ihnen aufgewühlt worden war, floß aus ihnen heraus.
»Vielleicht hätten wir David ändern können!«
»Du kannst einen Menschen wie David nicht ändern. Aber wir hätten es ihm leichter machen können.«
»Wir hätten es uns vielleicht auch leichter gemacht.«
»Ich hab’ euch alle so vermißt. Wirklich!«
»Wir hätten uns viel früher wiedersehen sollen.«
»Damals haben wir unsere Probleme auch gemeinsam gelöst, wißt ihr noch?«
»Nachts bei Kerzenlicht...«
»Es ist alles so anders gekommen als wir dachten.«
»Das ist immer so im Leben.«
»Dafür braucht man ja Freunde.«
»Wir müssen von jetzt an zusammenhalten. Laura, das gilt auch für Sie. Sie haben so viel mitgemacht.«
»Ja, Laura. Und Sie waren klüger als wir. Sie haben David viel früher durchschaut.«
Laura lächelte müde. »Bloß hat das weder mir noch ihm etwas genützt.«
»Ich glaube wirklich nicht«, sagte die beharrliche Gina, »daß einer von uns den Täter verraten würde. Wie auch immer das Drama sich abgespielt hat, es war Schicksal und nicht zu verhindern. Keiner von uns strebt doch danach, irgend jemanden zu überführen. Wir können den gestrigen Abend in aller Ruhe aufrollen, und wenn wir dabei über den Mörder stolpern, würde das nichts ändern.«
»Ich nehme an, Sie sind in Ihr Zimmer zurückgegangen, nachdem das Gespräch zwischen David und Gina beendet war, Laura?« fragte Natalie. Sie klang so kühl und souverän wie in ihren Interviews.
Laura nickte. »Ich ging zurück, verwirrt und verletzt. Irgendwie ... betäubt. Mir war klar, daß David das alles nicht aus einer Laune heraus gesagt hatte. Er war fertig mit mir, und er würde mich so schnell wie möglich abschieben. Wahrscheinlich würde ich ein paar Kleider und Schmuck mitnehmen dürfen und bekäme im übrigen die eindeutige Anweisung, mich nie wieder in seiner Nähe blicken zu lassen. Ich setzte mich auf mein Bett und grübelte. Sollte ich es als
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