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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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zugehaltener Nase durchschwimmen musste. Auf der anderen Seite befand sich einvon den Rattenmenschen angelegter Bohrschacht, der den Kanal mit einem Treppenhaus verband, das hinab in die Unterwelt führte. Die drei Körperratten huschten hinab, schlüpften in ein weiteres Lüftungsrohr und gelangten schließlich in einen vergessenen Abschnitt des stillgelegten U-Bahn-Systems. Dort ließ Mickey den Instinkt der Ratten die Überhand gewinnen, um sich zu putzen, und versuchte dabei, nicht daran zu denken, dass ein Großteil des Putzens aus
Ablecken
bestand. Dann ließ er die Körper der Tiere verschmelzen und richtete sich auf.
    In der Halle waren mehrere Rattenmenschen anwesend, wie er in Kampfgestalt. Ihre muskulösen, gedrungenen Körper steckten in Mönchskutten aus braunem Stoff, aus denen nur klauenbewehrte Hände, fellbedeckte Beine und nackte Rattenschwänze hervorsahen. Ihre Gesichter mit kleinen, scharfen Äuglein endeten in langen Rattenschnauzen, und zitternden Tasthaaren. Es war das Rudel der Queensguard, die Leibwächter der Rattenkönigin. Sie hatten seine Ankunft bereits bemerkt, doch die Höflichkeit gebot es ihnen, ihn zu übersehen, während er sich aus dem Regal eine Kutte griff. Er streifte sie über und trat der Queensguard entgegen.
    »Du wirst erwartet«, erklärte einer von ihnen, ein Rattenmensch mit nachtschwarzem Fell und einem Piercing im rechten Nasenflügel, »und kannst passieren.«
    Mickey nickte ihm zu und ging an ihnen vorbei zu der einzigen Tür in der Halle. Er hob die Faust und klopfte damit das geheime Erkennungszeichen.
Damm damm, dadamm damm, damdamdamdamm, damm
.
    Die Klappe öffnete sich. Das Gesicht einer weiteren Queensguard-Ratte kam zum Vorschein. Mickey hielt seine Hand davor, die Faust geballt, den Zeigefinger abgewinkelt, als ob er einen Pistolengriff in der Hand hielte. Er zog den Finger zurück und sagte »Bamm.« Er hatte John schon tausend Mal erklärt, dass der
Besucher
sein Gesicht in die Klappe halten sollte und nicht der Wächter. Vielleicht musste Mickey tatsächlich einmal zuschlagen, bis der Rattenmensch kapierte, wie unvorsichtig er war.
    John verdrehte die Augen. »Ja, Mickey, ich weiß!« Er würde es auch dieses Mal nicht lernen.
    »Die Queen hat nach mir geschickt.«
    »Ich sage ihr Bescheid.«
    Die Klappe wurde wieder geschlossen. Es dauerte eine Weile, dann hörte Mickey, wie ein schwerer Bolzen zurückgezogen wurde. Die Tür öffnete sich.
    Dahinter befand sich eine weitere große Halle. Ein fadenscheiniger, ehemals roter Teppich führte ihn entlang bis zu einem Podest, auf dem ein großer hölzerner Thron stand. Zwei Queensguards standen neben dem Eingang, zwei weitere auf der anderen Seite der Halle neben dem Thron. Ein paar Neonleuchten sorgten für dämmeriges Licht, genug, um mit den scharfen Sinnen der Kampfgestalt zu sehen wie am helllichten Tag.
    Auf dem Thron saß die Queen. Wie die meisten Rattenmenschen war sie … durchschnittlich. Sie hatte ihre Menschgestalt angenommen und trug ein geblümtes Kleidchen, grau vom zu häufigen Waschen oder einfach nur vom Dreck. Ihr zu einem Pferdeschwanz gebundenes Haar war von jener Farbe, die man oft als straßenköterblond bezeichnete. Sie hatte ein rundes Gesicht, mit dem dunklen Flaum eines Damenbartes auf der Oberlippe und buschigen Augenbrauen. Die Nickelbrille in ihrem Gesicht war alt und krumm.
    Mit gesenktem Kopf und gemessenem Schritt ging Mickey etwa in die Mitte der Halle und ließ sich dort auf die Knie sinken. Er beugte sich nach vorne und berührte mit der Stirn den Teppich. »Meine Queen«, murmelte er ehrfürchtig.
    »Steh auf und komm zu mir, Mickey.« Die Stimme klang wie immer leicht verärgert.
    »Jawohl, meine Queen.« Er tat, wie ihm befohlen. Etwa zwei Meter vor ihrem Thron blieb er wieder stehen und wollte schon erneut auf die Knie sinken, doch eine Geste der Queen ließ ihn innehalten. Stattdessen erhob sie sich und sprang von dem Podest zu Boden.
    »Komm ein Stück mit mir spazieren«, befahl sie und begann, die Hallenwand entlang im Kreis zu gehen. Mickey eilte an ihre Seite. »Und lass das ständige ›meine Queen‹-Gefasel. Geht es dir gut?«
    Seine Instinktantwort war natürlich ein »Ja«, doch er hielt sich im letzten Moment zurück. Dies war die Queen, mit der er sich unterhielt. »Es ging mir schon schlechter«, meinte er ausweichend.
    »Und damit auch besser.« Sie sah ihn an. »Ich weiß von deinem Verlust, und ich bedaure es, dass ich nicht früher mit dir sprechen

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