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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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finden.«
    Fünftausend
… Keelin musste das Wort im Kopf wiederholen, um es glauben zu können. Dieser Geist war schon dreitausend Jahre alt gewesen, als Jesus Christus geboren worden war – so man denn an ihn glaubte.
    »Und der Geist hat nichts dagegen?«, fragte sie. Sie wusste mittlerweile, dass ein Grund für die steife Traditionstreue der Druiden die Geister waren, die in der Regel Veränderungen verabscheuten.
    »Warum sollte er? Wir sind doch seine Herren!«
    Und hier lernen wir eine weitere Lektion
. Die Pikten – jedenfalls dieser piktische Druide hier – sehen die Geister nicht als ehrwürdige Wesen, sondern als Kreaturen, die ganz im Gegenteil
ihnen
, den Druiden, Folge zu leisten hatten.
    Keelin war völlig durchgefroren, als die Kutsche endlich vor einem Langhaus anhielt. Es war ein etwa zwanzig Meter langes Gebäude, mit Wänden aus Lehm und Weidengeflecht sowie einem Dach aus Stroh, durch das grauer Holzrauch quoll und vom Winddavongerissen wurde. Der Regen hatte inzwischen nachgelassen und prasselte nur noch böenweise auf sie nieder. Der Kutscher, eine regentriefende Kapuze tief ins Gesicht gezogen, erschien an der Tür der Kutsche und öffnete sie für Keelin. Dann hob er einen mit einem blauen Bändermuster bemalten Schild von der Wand und hielt ihn über den Eingang, ganz so wie einen Regenschirm.
    Mr. Sundby neben ihr – oder Tiernan, wie man ihn in der Innenwelt wohl nannte – räusperte sich. »Bitte, Keelin Urquhart. Nach Euch.«
    Sie zog sich ihren Umhang so fest um die Schultern wie nur möglich und kletterte nach draußen. Eine Regenböe trommelte auf den Schild und wurde vom Wind auch in ihr Gesicht geblasen, doch bei weitem nicht so schlimm wie ohne den Schutz. Schnell hasteten sie zur Eingangstür am Kopfende des Langhauses, wo sie eintrat, während der Kutscher zurücklief, um die anderen zu holen.
    Das Innere des Langhauses war von einigen Walöllampen hell erleuchtet. An den Bänken im vorderen Abschnitt gingen die Frauen und Leibeigenen des Hauses ihren Arbeiten nach. Die Frauen schlugen Käse, webten raues Wolltuch, nähten Kleider, flochten Weidenkörbe und spannen natürlich Wolle, die niemals endende Hauptbeschäftigung einer jeden Frau in der Innenwelt, während die Männer obskureren Arbeiten nachgingen. Einer war damit beschäftigt, ein Buch abzuschreiben (oder besser, abzu
ma len
, wenn sie seinen verkniffenen, konzentrierten Blick richtig deutete), ein anderer mischte Tinkturen und Farben aus kleinen Döschen und Fläschchen zusammen, während ein dritter kleine Lederbeutelchen mit Kräuterbüscheln bestückte. Im hinteren Teil der Halle brannte ein Feuer, über dem auf einem Rost mehrere Stücke Fleisch brieten. Darüber hing ein gusseiserner Kessel, in dem eine Frau in mittleren Jahren mit einer großen Kelle rührte. Rund um das Feuer war eine Sitzbank errichtet und versprach Gemütlichkeit. Krüge und Teller aus einem Metall, das verdächtig wie Silber aussah, standen einladend bereit, und plötzlich spürteKeelin, dass sie Hunger hatte. Dort hinten waren die Seitenwände mit Schilden und Speeren und Schwertern und Kettenhemden behangen, die Rückwand zierte gar ein flauschig aussehender Wandteppich, den das Bild eines tiefen Abgrundes mit einer Hängebrücke darüber zierte. Ein Mann stand in der Mitte der Brücke, ein Schwert in die Luft erhoben, bereit, auf die tragende Seilkonstruktion einzuschlagen. Er trug nichts als einen Lendenschurz und einen Haufen gewundener blauer Tätowierungen im Gesicht.
    Hinter ihr öffnete sich die Tür für Brynndrech. Wie zuvor bei Keelin sahen die Menschen nur kurz auf, um sich dann weiter schweigend ihrer Arbeit zu widmen. Er trat neben Keelin, wischte sich ein paar Regentropfen aus dem Gesicht und blieb dann mit offenem Mund stehen.
    »Was ist?«, flüsterte Keelin, die sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte.
    »Alles!«, zischte Brynndrech.
    »Hä? Was, alles?«
    »Einfach alles! Dieser Druide ist reich!«
    Keelin zuckte mit den Schultern. Jeder Druide war reich.
    »Nein, ich meine, wirklich reich! Die Häuser von Häuptling Grear oder Bruce sind dagegen so arm wie … wie … wie Leibeigene!«
    Keelin zögerte nachdenklich. Gut, das Silber war offensichtlich, und dass Waffen und vor allem Rüstungen teuer waren, hatte sie inzwischen auch herausgefunden. Doch von beidem gab es hier nicht viel mehr als in den Hallen anderer Druiden.
    »Außerdem schreiben sie!«, flüsterte Brynndrech empört. Die keltische Tradition war eine

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