Schatz, schmeckts dir nicht
Schriftstellerei ist es auch vorbei. Im Grunde sucht sie ständig Trost und Zuspruch, und wenn sie den nicht kriegt, dann säuft sie eben. Aber heute hat sie zum Glück wohl ein Opfer gefunden.«
Helene schaute etwas genauer zu dem Grüppchen, in dem die Bergfeld mit einer Frau und einem Mann plaudernd zusammenstand.
»Also, die Frau dort in Rot, die kommt mir wahnsinnig bekannt vor. Siehst du diese attraktive Dunkle in unserem Alter, mit den ausgeprägten weiblichen Formen? Kennst du die irgendwoher?«
Dieter musste passen. Helene grub in ihrem Gedächtnis nach. Studium, Architektenkreise, Kunstszene, Kinder – Kinderladen! Ja, jetzt hatte sie es!
»Mensch, das darf nicht wahr sein! Das ist Elfriede! Körner-Elfriede. Na, die hat sich aber verändert!«
Dieter hatte einen ihm lieben Bekannten erspäht, entschuldigte sich bei Helene, um ihn zu begrüßen, und überließ sie ihren Erinnerungen. Mein Gott, Elfriede! Mehr als zehn Jahre war es bestimmt her, dass sie die zum letzten Mal gesehen hatte. Und dieses schreckliche Kind, das unverdienterweise den poetischen Namen Peregrin trug, aber ständig eine Rotznase hatte, zu unkontrollierbaren Wutanfällen neigte, und auch nach dem Sauberwerden noch beständig in die Hose kackte, sodass sämtliche Eltern und Erzieher gewisse Berührungsängste hatten. Nur die Kinder liebten alle Peregrin, der zugegebenermaßen die phantasievollsten Spiele erfand und mit dem es ihnen nie langweilig wurde.
Aber wie hatte sich Körner-Elfriede verändert! Helene sah sie noch wie heute in ihren ewigen Jeans, in selbst gestrickten Socken und unförmigen Strickzelten, die einmal Pullover gewesen waren – und jetzt? Elfriede trug ein Jackenkleid im Stil der 50er Jahre, in einem tollen Burgunderrot mit schwarzen Samtbesätzen, ganz auf Figur geschnitten, und dazu passende schwarze Velourslederpumps. Der Clou war eine kecke kleine Pill Box, ebenfalls in dunklem Rot, die sie schräg auf ihre in einem dicken Knoten gebändigten, dunklen Locken gesetzt hatte und an der zwei lange Pfauenfedern bei jeder Bewegung auf und ab wippten.
Elfriede musste Helenes lange Blicke wohl auf sich gespürt haben, jedenfalls wandte sie sich ihr plötzlich voll zu und sah ihr mit einem breiten Lächeln ins Gesicht. Mit Schaudern dachte Helene an die zermürbenden Diskussionen mit dieser Frau auf den unzähligen Elternabenden, als sie sich von ihrem Mann getrennt und die vegetarische Vollwertkost entdeckt hatte. Um den Mann war es nicht schade. Der war nicht nur absolut unattraktiv und ungehobelt, sondern so was von egoistisch und von sich überzeugt gewesen, dass es schier unerträglich war. Es hieß, er sei wahnsinnig intelligent, Universitätsdozent und so, doch Helene hatte mit ihm nie mehr als die notwendigsten Worte gewechselt. Für sie war er schlicht ein kommunikationsunfähiges Ekel.
Fast hätte sie applaudiert, als Elfriede damals mitteilte, dass sie von nun an getrennte Wege gehen würden. Doch erstens tat man das ja nicht und zweitens hatte dieser Alternativdespot im Nu eine neue Gefährtin aufgerissen – unglaublich die Frauen! – und brauchte nicht unter verdienter Einsamkeit zu leiden. Jedenfalls wurde die nun alleinerziehende Elfriede zu diesem Zeitpunkt eine kämpferische Anhängerin der vegetarischen Vollwertkost, die sie von Stund an mit prophetischem Eifer ihrer Umwelt nahezubringen gedachte. Wieso die Trennung von ihrem Mann dafür der Auslöser war – es blieb ein Rätsel. Leider konnte sie weder mit noch ohne Fleisch kochen …
Von solcherlei Gedanken bewegt, gab sich Helene einen Ruck und näherte sich der äußerlich so erstaunlich gewandelten Elfriede.
»Hallo, Elfriede! Wie kommst du denn hierher? Wir haben uns ja ewig nicht gesehen!« Und auch nicht vermisst, dachte Helene bei sich.
»Grüß dich, Helene! Mehr als zehn Jahre sind’s bestimmt. Ja, ich bin hier, weil Bernhard auch Maler ist und er wiederum Michael, der hier ausstellt, ganz gut kennt. Als ich hörte, dass die Galerie der Susanne gehört, hab ich gleich an dich denken müssen, weil ich ja wusste, dass ihr befreundet seid. Ja, das also ist Bernhard und Frau Bergfeld kennst du ja, wie ich hörte.«
Die Bergfeld, heute wieder ganz obenauf, winkte ihr huldvoll mit vier Fingern. »Schätzchen!«
Bernhard, ein wirklich scharfer Typ, wie Helene anerkennend feststellen musste, verzog seine vollen Lippen zwischen dem obligaten Dreitagebart zu einem unverschämt verführerischen Grinsen und schüttelte ihr mit
Weitere Kostenlose Bücher