Schatz, schmeckts dir nicht
Rothaarige?«, fragte sie zögernd und recht desinteressiert.
»Klein?«
Jan runzelte irritiert die Stirn. »Ich würde sie eher als stattlich bezeichnen. Ziemlich groß jedenfalls.«
»Ja und, was tut sie bei euch? Wie heißt sie denn?«
»Es sieht jetzt so aus, als ob wir tatsächlich den Zuschlag für Öko-City kriegen. Wir haben sie als baubiologische Beraterin engagiert. Vorerst jedenfalls. Sollten wir in diese Richtung weiterarbeiten und sich die Zusammenarbeit positiv entwickeln, steht natürlich einer längerfristigen Verbindung nichts im Wege. Sie heißt Diane Blume.«
»Mein Gott, was für ein Name! Aber passt irgendwie«, konnte Helene sich nicht verkneifen zu bemerken.
»Woher willst du das denn wissen, du kennst die Frau doch noch gar nicht?« Jan schüttelte verständnislos den Kopf.
»Nun, unser Weihnachtsessen wird unter anderem auch eine Gelegenheit sein, Diane kennen zu lernen. Was ich über meine bisherigen Kontakte zu ihr sagen kann, ist durchweg vielversprechend. Wir werden sehen. Jetzt weißt du jedenfalls Bescheid, dass ein Gast mehr zu erwarten ist, was für dich ja kein Problem sein dürfte.«
Und damit war für Jan – sachlich, praktisch, Punkt – das Thema Diane Blume beendet. Schade, denn Helene hätte gerne noch einiges mehr über die Dame mit dem poetischen Namen erfahren. Nun, sie würde am Ball bleiben.
Keinesfalls durfte sie es so weit kommen lassen wie vor zwei Jahren, als eine talentierte, junge Kollegin schon als Partnerin für das Planungsbüro gehandelt wurde – man stelle sich vor! Ihr berufliches Engagement ließ sie ständig Arbeitsessen bei sich zuhause veranstalten oder Brainstorm-Wochenenden in gemütlichen Landhotels organisieren – selbstverständlich nur mit ihren drei zukünftigen Partnern. Nach einer Weile allerdings ließ die Begeisterung für die junge Dame erheblich nach, denn mehrere angeblich an Großprojekten interessierte Neukunden, mit denen sie telefonisch zeitaufwendig verhandelt hatte, tauchten nie zu den vereinbarten Besprechungsterminen auf. Jan und seine Partner wollten noch nicht an krankhafte Profilierungssucht ihrer Neuerwerbung glauben, da flatterte ein anonymer Brief ins Büro, der Vorwürfe bezüglich finanzieller Ungereimtheiten an ihrer letzten Wirkungsstätte erhob. Sie konnte diese zwar alle entkräften, doch ein Schatten blieb. Nachdem die Reifen ihres Sportflitzers zerstochen worden waren und sich in ihrer Post eine tote Ratte fand, fühlte sich das aufstrebende Talent als Opfer einer brutalen Mobbingkampagne, kündigte dem Büro fristlos, und die scheinbar unaufhaltsame Karriere dort war gestoppt.
Doch man musste ja nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen, sagte sich Helene angesichts der neuen Herausforderung. Eine bessere Gelegenheit, sich der Neuen zu präsentieren, denn als glanzvolle Gastgeberin, gab es ja gar nicht. Diese Aussicht auf einen neuerlichen Triumph ihrer Kochkünste vergrößerte ihre ohnehin schon gespannte Vorfreude ungemein. Und sie stürzte sich in den nächsten Wochen mit noch größerem Eifer in die Vorarbeiten für den großen Abend.
Ungewöhnlich niedrige Temperaturen beendeten das nasskalte Schmuddelwetter. Gerade noch rechtzeitig hatte Helene die Dachterrasse winterfest gemacht, und beim Anblick der raureifgezuckerten Bäume und Dächer bekam sie die ersten vorweihnachtlichen Gefühle. Höchste Zeit, mit dem Backen der Lebkuchen und des Stollens zu beginnen. Beides bedurfte einiger Zeit der Lagerung, um seinen besten Geschmack zu entfalten. Auch die Konfektherstellung, zum Eigenverbrauch und als beliebtes Weihnachtsgeschenk, durfte jetzt in Angriff genommen werden. Helene war in ihrem Element. Von den Düften nach frisch Gebackenem, nach Zimt, Nelken, Kardamom und dem Aroma geriebener Orangenschalen wurde sie den ganzen Tag in Hochstimmung versetzt, wie andere vielleicht durch einen Joint. Obwohl sie nur selten darauf antwortete, meldete sich Hans Schmidt in unregelmäßigen Abständen mit sehr charmanten Mails, und auch dies trug durchaus zu ihrem Wohlgefühl bei. Dann fiel der erste Schnee – eigentlich mehr ein Schneeregen – und verursachte, wie in jedem Jahr, ein mittleres Chaos unter den Berliner Autofahrern. Der Winter hielt seinen Einzug, und eh man sich versah, war der November vorüber.
Kapitel III
Wie immer vor Weihnachten raste die Zeit nur so dahin und der Countdown für das Weihnachtsessen von Jans Büro lief. Es sollte bereits am zweiten Adventswochenende
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