Schatz, schmeckts dir nicht
sie verzichtete auf eine Replik, da sie sich mit diesem ganzen Hokuspokus nicht recht auskannte. Sie brachte die Rede auf Nityam, den sie schlicht schmierig und ausgesprochen unsympathisch fand.
»Hast du diesen Menschen mit dem Zopf und der roten Samthose gesehen? Ein Guru im Westentaschenformat. Ich fand ihn äußerst unangenehm. Er wollte mich für ein Wochenende in seinem Institut auf dem Lande begeistern, faselte etwas von Sinnlich zu Übersinnlich.«
»Ja, ich weiß, wen du meinst. So unangenehm finde ich den nun nicht. Vielleicht redet er ein bisschen viel, aber er weiß auch eine Menge über Ayurveda, tantrische Energien und so etwas. Im Grunde ist er ganz harmlos.«
»Ich fand ihn nur aufdringlich und lästig. Na ja, bei Maike war er bestimmt erfolgreich, sie ist ja ständig auf der Suche nach dem neuesten Kick.«
»Du redest wie eine bornierte Spießerin, Helene, weißt du das? Sollte Maike wirklich einmal an einem Seminar in seinem Institut teilnehmen, kann sie davon doch nur profitieren. Sie würde lernen, an sich zu arbeiten, und vielleicht langsam zu ihrer eigenen Individualität finden, und nicht immer nur versuchen, andere nachzuahmen und Äußerlichkeiten mit Persönlichkeit verwechseln.«
Helene merkte, dass sie sich mit ihrer Kritik immer weiter von ihm entfernte. Jan wollte sich auf ihren dahingeplauderten Partyklatsch nicht einlassen, und so fragte sie ihn vorsichtig: »Wie hat dir denn das gemeinsame Tanzen am Schluss gefallen?«
»Du weißt, ich bin kein großer Tänzer vor dem Herrn. Aber ich muss sagen, besser die Gäste tanzen zusammen nach indianischen Trommeln, als dass man sich sektglasbewehrt den ganzen Abend anödet, wie das häufig auf Partys passiert, wo man sich nicht gut kennt. Alles in allem finde ich, war es ein richtig netter Abend.«
Aus dem Augenwinkel musterte Helene ihren Mann, wie er mit sich und der Welt zufrieden neben ihr her schritt. Und sie hatte sich immer so sicher gefühlt! Ihre Hände hatten sich zu Fäusten geballt, die sie in die Tiefen ihrer Manteltaschen presste. Zwischen den Schultern fühlte sie sich total verspannt. Mit ihren Ansichten über die abgedrehten Leute aus Dianes Umkreis schien sie völlig allein zu sein.
Wie sie auch ansetzte, was sie auch sagte, es lief immer auf Konfrontation hinaus. Sie fand keinen Punkt, an dem sie in alt gewohnter Weise harmonierten. Helene wurde immer gereizter und versuchte mühsam, dies zu verbergen. Jan schien ruhig und gelassen wie immer, doch ihre bunt und voll Witz dargebotenen Charakterbilder der Besucher in Dianes Haus brachten ihn nicht zum Lachen, sondern riefen seinen Widerspruch hervor. Der Gutmensch in ihm fand für alles und jedes eine Entschuldigung. Und dann fand er sie – Helene – auch noch spießig!
Es verletzte sie, dass er keine ihrer Ansichten mehr teilen wollte. Sie spürte eine unangenehme Befangenheit ihrem eigenen Mann gegenüber. Der Kokon aus Vertrauen und Sicherheit, in dem sie sich bisher wähnte, hatte sich aufgeribbelt, ja sie fühlte sich ausgeschlossen und allein gelassen. So uneins waren sie ihrer Erinnerung nach noch nie gewesen.
Es hatte also angefangen. Er hatte bereits begonnen, sich von ihr zu entfernen. Sie hätte schreien mögen. Da sie jedoch mittlerweile in der gut besetzten, letzten U-Bahn standen, ließ sie das lieber bleiben, und versuchte ihre gewohnte Ruhe wiederzuerlangen. Als sie an ihrer Station angekommen und aus dem Untergrund auf die schneebedeckte Erdoberfläche gestiegen waren und nun wieder stumm ihren Weg fortsetzten, war Helene klar, dass schlichte Wut eine schlechte Ausgangsposition zur Lösung ihrer Probleme war. Sie lächelte grimmig in sich hinein. Wie sagte ihr Sohn immer? Bleib cool, Mann!
Genau! Geduld und Phantasie waren gefragt. An beidem hatte es ihr noch nie gemangelt.
»Trinkst du noch einen Cognac mit mir?« So lautete die altbekannte Formel zwischen ihnen beiden, die dazu einlud, einen gemeinsam verbrachten Abend angenehm ausklingen zu lassen. Im Dunkeln auf dem Sofa vor dem großen Panoramafenster sitzend, kamen sie vom Hundertsten ins Tausendste. Ihre Pläne, Träume, Wünsche umgaben sie, und bisweilen redeten sie bis zum Morgengrauen, waren noch fidel genug, sich anschließend im Bett miteinander zu vergnügen, und fielen endlich in erquickenden Schlaf.
Auch heute sprach Helene dieselben Worte, doch ohne wirkliches Bedürfnis nach trauter Zweisamkeit. Zu viel ging ihr durch den Kopf. So war es ihr ganz recht, als Jan ablehnte mit
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