Schatzfinder
Tagen auf Tour, gestresst, hundemüde. Meiner war der letzte Flieger, ich landete und wollte nur noch ins Bett. Aber ich musste ja noch autofahren. Am Mietwagenschalter sagte mir die Dame, die offenbar genauso müde war wie ich, dass sie leider keinen Wagen mehr für mich habe. Aber ich hatte doch reserviert! Also musste ich verhandeln, mich behaupten, mich durchsetzen, Diamond-Card zeigen. Uff! Am Ende bekam ich doch noch einen Wagen, wieder eine halbe Stunde verloren, noch mehr genervt. Ich schleppte mich durch den Flughafen, auf der Suche nach dem richtigen Parkdeck.
Schließlich saß ich im Auto, gab die Adresse ins Navi ein und las die Distanz: 190 Kilometer. So lange? Na gut, was sollte ich machen? Ich musste da morgen Vormittag reden und brauchte noch eine Mütze Schlaf. Ich musste einfach irgendwie zum Hotel kommen, so war es geplant, so machte ich es jetzt.
Als ich durch die stockdunkle Nacht fuhr und auf die Kommandos der unsympathischen Navi-Stimme wartete, fühlte ich mich immer mieser. Ich begann, Selbstgespräche zu führen. Mein Gott, warum tust du dir das an? Ist es das wert? Alles wendet sich gegen dich, schau, sogar die Sonne steht an der falschen Stelle im Universum, die Dunkelheit drückt auf den Wagen, ich fühle mich wie in einer Blutzelle eingeschlossen, die durch eine schwarze Ader rauscht, um irgendwo im Organismus anzukommen und dort meine Aufgabe zu erfüllen, vielleicht Sauerstoff abgeben und Kohlendioxid aufnehmen oder eine Bakterie auffressen oder eine Wunde verschließen. Plötzlich sagte das Navi:»Sie haben Ihr Ziel erreicht!«
Es war, als ob ich aus einem Traum erwachte. Ich erinnerte mich plötzlich an die letzten paar Kilometer. Die Stimme hatte mich durch einen Wald geführt, die Straße war zu einer Schotterpiste geworden, die Bäume waren immer näher zusammengerückt. Dann war ich um eine letzte Biegung gefahren und stand … in einer Sackgasse. Die Straße endete hier vor einem Haus. Ich hatte das Fernlicht angeschaltet. Das Haus sah aus wie ein Försterhaus mitten im Wald. Alles war dunkel. Ich schaute auf die Uhr: Schon weit nach Mitternacht.
Ich war mitten in einem österreichischen Wald, stand mit einem fremden Auto in einer fremden Gegend vor einer verlassenen Hütte, wo seit 170 Jahren kein Förster mehr nach dem Rechten gesehen hatte, und hinter dem Lichtkegel standen vermutlich die Waldtiere und glotzten und fragten sich, ob ein UFO gelandet ist.
Das war nicht das Tagungshotel!
Ich versuchte umzudrehen, aber der Platz vor dem Haus war eng, und da standen Gerätschaften herum. Ich wollte aber auf gar keinen Fall aussteigen. Vorwärts, rückwärts, ich mühte mich ab und rangierte. Da ging das Licht im Haus an! Oh Gott, gleich würde einer mit dem Gewehr vor mir stehen und mich für einen Einbrecher halten. Ich bekam solche Panik, dass ich es in kürzester Zeit und auf Kosten eines Eimers oder irgend sowas schaffte, das Auto vollends zu wenden, und dann gab ich Fersengeld, zurück, dorthin, wo ich herkam, wo immer das war.
Ich war fix und fertig, fühlte mich so nichtswürdig, war so frustriert, ich fuhr einfach herum, das Navi hatte ich ausgeschaltet. Ich dachte, irgendwo hier muss doch das blöde Hotel sein, das gibt’s doch nicht. Eine halbe Stunde lang tat ich lediglich Verzweiflungstaten. Und landete noch in weiteren Sackgassen. Ich fand aus diesem Wald einfach nicht mehr heraus und hatte keine Ahnung, auf welcher Straße ich hierher geraten war. Es wurde immer unwirklicher. Seit bestimmt einer Dreiviertelstunde hatte ich kein anderes Auto mehr gesehen. Ich bekam es immer mehr mit der Angst zu tun, dass ich in irgendeinemHorrorfilm gelandet war – da passieren doch genau solche Sachen …
Als ich um eine weitere Biegung kam und wieder vor einem blinden Haus stand, vor dem die Straße endete, wollte ich aufgeben. Ich machte den Motor aus, schaltete das Licht aus, legte den Kopf aufs Lenkrad und hörte einfach auf. Ich hatte keine Lust mehr. Ich war am Ende. Ich hatte verloren.
In meinen Ohren rauschte das Blut, draußen war es still. Da hörte ich das Teufelchen, das mir auf dem Buckel saß und mir ins Ohr zischte: »Du Idiot!«
Ich konnte mich nicht wehren.
»Du Trottel! Jeder hasst dich! Alle sind gegen dich!«
Das Teufelchen redete toxisch auf mich ein. Sein Name war Toxi, beschloss ich.
Da waren ja Hänsel und Gretel mutiger! Typisch! Hast dir mal wieder keine Zeit genommen, husch, husch, nicht richtig geplant, nicht richtig nachgedacht, und schon
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