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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sie betrachtete sein Gesicht. Alle Spuren von Aufruhr und Verwirrung waren unter der friedlichen Maske des Schlafs verborgen. Was für Geheimnisse hatte er? Sie strich ihm eine Haarsträhne aus den Augen. Was für Lügen hatte er ihr erzählt?
    Auf Zehenspitzen ging sie vom Sofa weg, voller Zweifel, ob es richtig war, ihn bleiben zu lassen. Würde sie vielleicht mitten in der Nacht erwachen und ihn mit ihrer Waffe in der Hand über ihr Bett gebeugt stehen sehen? War er vielleicht ein Psychopath, der es auf einsame Staatsanwältinnen abgesehen hatte?
    Sie war so müde, daß es ihr beinahe gleichgültig war.
    Vertraue deinen Instinkten, hörte sie ihren Wen-Do-Lehrer sagen, als sie wieder ins Bett kroch. Vertrau deinem Instinkt.
    Aber nur für den Fall, daß ihre Instinkte sie trogen, nahm sie den Revolver aus der Schublade des Nachttischs und schob ihn unter ihre Matratze, ehe sie sich den Luxus des Schlafs gönnte.
     
    Als sie am nächsten Morgen erwachte, stand er an der Tür zu ihrem Schlafzimmer und sah sie an.
    »Legen Sie sich Ihre Sachen immer so säuberlich zurecht?« fragte er. »Sogar sonntags?«
    »Wie lange stehen Sie schon da?« Sie ging nicht auf seine Frage ein, zog die Decke bis zum Hals und setzte sich auf.

    »Nicht lange. Ein paar Minuten vielleicht.«
    Jess sah auf ihre Uhr. »Schon halb zehn!« rief sie.
    »Ich hätte nicht so viel trinken sollen«, sagte er mit einem verlegenen Lächeln.
    »Ich kann nicht glauben, daß ich bis halb zehn geschlafen habe.«
    »Sie waren offensichtlich völlig erschöpft.«
    »Ich hab so viel zu tun.«
    »Immer schön der Reihe nach«, sagte er. »Das Frühstück ist fertig.«
    »Sie haben Frühstück gemacht?«
    Er lehnte sich an den Türpfosten. »Leicht war es nicht. Sie haben nicht gelogen, als Sie gesagt haben, daß Sie nie kochen. Ich mußte erst losgehen und Eier und Gemüse kaufen...«
    »Wie sind Sie denn wieder reingekommen?«
    »Ich hab mir Ihren Schlüssel ausgeliehen«, antwortete er.
    »Sie sind einfach an meine Handtasche gegangen?«
    »Ich hab ihn wieder reingelegt.« Er trat zu ihr ans Bett und bot ihr die Hand. »Kommen Sie, ich hab den ganzen Morgen in der Küche geschuftet.«
    Jess schlug die Bettdecke zurück und stand auf, ohne seine dargebotene Hand zu nehmen. Sie wußte nicht recht, was sie davon halten sollte, daß er einfach in ihrer Handtasche gekramt hatte.
    »Ich will mir nur schnell das Gesicht waschen und die Zähne putzen.«
    »Später.« Er nahm sie bei der Hand und zog sie durch den Flur in die Eßnische. Der Tisch war gedeckt, der Orangensaft schon eingeschenkt.
    »Ich sehe, Sie haben alles gefunden.« In ihren Küchenschränken hatte er also auch herumgewühlt.
    »Sie haben kaum Geschirr, das zusammenpaßt«, sagte er und lachte. »Sie sind eine merkwürdige Frau, Jess Koster. Interessant, aber merkwürdig.«

    »Das gleiche könnte ich von Ihnen sagen.«
    Er lächelte unergründlich. »So interessant bin ich gar nicht.«
    Jetzt lachte sie und merkte, wie sie sich dabei entspannte. Wenn er ein Psychopath war, der sie umbringen wollte, so hatte er offensichtlich beschlossen, es erst nach dem Frühstück zu tun.
    »Was gibt’s denn?« fragte sie mit knurrendem Magen.
    »Das beste Bauernomelett in ganz De Paul«, antwortete er und lud eines von zwei perfekt geformten Omeletts auf ihren Teller, das andere auf seinen, garnierte jedes mit etwas Petersilie, und stellte die Teller auf den Tisch.
    »Sogar Petersilie haben Sie. Ich bin wirklich beeindruckt.«
    »Das war meine Absicht. Lassen Sie es nicht kalt werden«, sagte er und schenkte ihr Kaffee ein. »Sahne? Zucker?«
    »Schwarz.«
    »Essen Sie.«
    »Das sieht alles so köstlich aus. Das haben Sie toll gemacht, wirklich.«
    »Nach meinem Benehmen gestern abend war das ja wohl das mindeste, was ich tun konnte.«
    »Sie haben doch gestern abend gar nichts gemacht.«
    »Eben! Endlich ist mir einmal ein Abend mit einer schönen Frau vergönnt, und was mache ich? Ich betrinke mich bis zur Besinnungslosigkeit und schlafe auf ihrem Sofa ein.«
    Jess fuhr sich verlegen mit der Hand durch ihr wirres Haar.
    »Nein, nicht«, sagte er und holte ihre Hand auf den Tisch zurück. »Sie sehen hinreißend aus.«
    Jess entzog ihm ihre Hand, ergriff die Gabel und nahm etwas von ihrem Omelett.
    »Und, wie lautet das Urteil?« Er wartete, während sie kaute.
    »Phantastisch«, erklärte Jess. »Ohne Zweifel das beste Omelett in ganz De Paul.«
    Ein paar Minuten lang aßen sie schweigend.

    »Ich hab

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