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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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Spange zusammengenommen. Um den Hals trug sie eine lange goldene Kette, an der ein Herz aus schwarzem Onyx hing. Sie hatte eine einfache weiße Seidenbluse an und dazu eine anthrazitgraue Hose und schwarze Lederschuhe. Von Birkenstocksandalen keine Spur. Ihr Händedruck war energisch, ihre Hände allerdings waren trotz der Wärme im Haus eiskalt.
    Sie ist genauso nervös wie ich, dachte Jess und unterdrückte die aufsteigenden Tränen, als sie der Frau die Hand gab. »Es tut mir leid, daß ich so lange nicht dazu gekommen bin, Sie kennenzulernen«, sagte sie aufrichtig.
    »So was kommt vor«, sagte Sherry Hasek.
    »Was möchtest du trinken?« fragte Barry. »Wein? Bier? Coca Cola?« fügte er mit Betonung hinzu.
    »Kann ich auch eine Cola haben?« rief Tyler sofort.
    »Du kannst Milch haben«, antwortete ihm Maureen.
    »Ich nehme Wein«, sagte Jess. Sie nahm ihrer Schwester das Kind ab. Maureen hatte recht gehabt - die Zwillinge waren in den letzten zwei Monaten wirklich gewachsen. »Hallo, du kleine Süße. Wie geht’s dir denn?«.
    Die Kleine starrte sie an wie ein Geschöpf vom anderen Stern und begann vor Anstrengung zu schielen.
    »Sie sind schon zwei Prachtmädchen, nicht wahr?« sagte Barry stolz, während er Jess ein Glas Wein einschenkte. »Komm, gib mir Chloe«, sagte er, nahm seine kleine Tochter und reichte Jess dafür ihr Glas Wein.

    »Ich habe mir immer Zwillinge gewünscht«, sagte Sherry Hasek. »Und Mädchen. Statt dessen hab ich drei Jungen bekommen. Einen nach dem anderen.«
    »Meine Freundinnen sagen alle, daß Jungen schwieriger sind, wenn sie klein sind«, sagte Maureen und setzte sich, »und Mädchen dafür in der Pubertät weit mehr Probleme machen.«
    »Stimmt das, Art?« fragte Barry. »Wie waren denn deine Töchter als Teenager?«
    Art Koster lachte. »Meine Töchter waren immer perfekt«, antwortete er galant, während Jess das tränennasse Gesicht ihrer Mutter vor sich sah.
    Das habe ich nicht nötig, Jess. Das muß ich mir von dir nicht gefallen lassen.
    »Ich glaube nicht, daß wir perfekt waren«, widersprach Jess und hob rasch ihr Glas. »Prost, alle miteinander.« Sie nahm einen großen Schluck, dann noch einen.
    »Auf Gesundheit und Wohlstand«, sagte Barry.
    Jess betrachtete Sherry Haseks ovales Gesicht. Sie hatte weit auseinanderliegende dunkle Augen, aber ihre übrigen Gesichtszüge wirkten seltsam gedrängt, als sei auf ihrem Gesicht nicht genug Platz für alles. Wenn sie lebhaft wurde, schien ihr Mund regelrecht auf und ab zu hüpfen. Und sie sprach viel mit den Händen, gestikulierte mit langen gepflegten Fingern, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, wodurch sie den Eindruck eines zwar wachen, aber etwas chaotischen Geists hervorrief.
    Ganz anders als Mutter, dachte Jess, und Sherry Haseks kleines Gesicht verschwand, als sie das breitere ihrer Mutter vor sich sah und sich erinnerte; der blaugrünen Augen, der weichen Haut, des Ebenmaßes von Mund und Nase, der hohen, hervorspringenden Wangenknochen. Es war ein Gesicht, das die Illusion von Ruhe hervorrief, das bewirkte, daß man sich in seiner Nähe sicher und geborgen fühlte. Die feine Ausgewogenheit ihrer Züge hatte etwas ungemein
Beruhigendes gehabt, so als sei die Gelassenheit, die sie ausstrahlte, die Folge eines tiefen inneren Friedens.
    Immer war ihre Mutter so gewesen, hatte sich selbst so wohl gefühlt, daß auch alle anderen sich in ihrer Umgebung wohl gefühlt hatten. Selten hatte sie die Beherrschung verloren, fast nie geschrien. Und doch gab es nie eine Frage, wie sie zu den Dingen stand. Sie kannte keine falsche Bescheidenheit, hatte für Ratespiele nichts übrig. Sie sagte, was sie fühlte, und erwartete die gleiche Höflichkeit von anderen. Sie hat jeden mit Respekt behandelt, dachte Jess jetzt, das tränennasse Gesicht ihrer Mutter vor Augen, selbst die, die diesen Respekt gar nicht verdient hatten.
    »Erde an Jess«, hörte sie Barry sagen. »Bitte kommen, Jess. Bitte kommen.« a
    Jess merkte, wie das Glas mit dem Wein ihr zu entgleiten drohte, und drückte fest zu, ehe es ihr aus der Hand fallen konnte. Sie spürte, wie das dünne Glas zwischen ihren Fingern zersprang und in sich zusammenfiel, wie ihre Hand feucht und klebrig wurde. Als sie hinunterblickte, sah sie ihr Blut, das sich mit dem Weißwein mischte, so daß ein zartes Rose entstand, und plötzlich öffneten sich ihre Ohren den Ausrufen des Schreckens und der Sorge, die das Zimmer füllten.
    »Mami!« rief Tyler weinend.
    »Mein Gott, Jess,

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