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Schau Dich Nicht Um

Titel: Schau Dich Nicht Um Kostenlos Bücher Online Lesen
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sprang auch nicht auf, was die meisten in seiner Situation getan hätten. Statt dessen erhob er sich langsam, beinahe lässig, und streckte sich, als hätte er es überhaupt nicht eilig; wie eine Katze, die gerade aus einem Nickerchen erwacht ist; als dächte er daran, noch ein Weilchen zu bleiben.
    »Ich hab ihr gesagt, daß ich nichts zu sagen habe«, wiederholte er, den Blick immer noch auf Jess gerichtet. »Sie hat’s mir nicht geglaubt.«
    »Gehen wir, Rick«, sagte Don von der Tür her.
    »Wie kommt’s eigentlich, daß Sie mir nie glauben, Jess?« Rick Ferguson hielt die zwei S ihres Namens zwischen den Zähnen fest, so daß ein langes Zischen zwischen seinen Lippen hervorkam.
    »Das reicht, Rick.« Der scharfe Unterton in Dons Stimme war unüberhörbar.
    Rick Ferguson grinste dieses gemeine Grinsen, das sie schon kannte, und ließ seine Zunge obszön zwischen seinen Zähnen hin und her schnellen. Ohne ein weiteres Wort schob Don seinen Mandanten brüsk zur Tür hinaus. Jess hörte das Echo von Rick Fergusons Lachen noch lange, nachdem er den Raum verlassen hatte.

8
    I ch möchte, daß er wegen Mordes unter Anklage gestellt wird«, sagte Jess zu ihrem vorgesetzten Staatsanwalt.
    Tom Olinsky saß hinter seinem Schreibtisch und sah sie durch die kleinen runden Gläser der Nickelbrille an, die für sein volles Gesicht viel zu klein war. Er war ein wuchtiger Mann, fast zwei Meter groß, mehr als zwei Zentner schwer. Er wirkte überwältigend. Die Nikkelbrille jedoch, ein Relikt aus den sechziger Jahren, in denen er aufgewachsen war, verlieh seinem Gesicht einen sehr menschlichen, vertrauenerweckenden Zug.
    Jess rutschte unruhig in dem großen Ledersessel vor Tom Olinskys überdimensionalem Schreibtisch hin und her. Wie der Mann selbst waren alle Möbelstücke in dem kleinen Büro am Ende des langen Flurs zu groß für ihre Umgebung. Immer wenn Jess diesen Raum betrat, fühlte sie sich wie Alice nach dem Genuß des falschen Pilzes. Sie fühlte sich klein, unbedeutend, inadäquat. Und sie kompensierte das unweigerlich, indem sie lauter, schneller und mehr als nötig sprach.
    »Jess -«
    »Ich weiß, was Sie mir gesagt haben«, fiel sie ihm störrisch ins Wort. »Ohne eine Leiche -«
    »Ohne Leiche wird uns das Gericht ins Gesicht lachen.« Tom Olinsky kam hinter seinem Schreibtisch hervor nach vorn, als wollte er mit seinem mächtigen Körper Jess aus dem Zimmer drängen. »Jess, Sie sind überzeugt, daß dieser Mann einen Mord begangen hat, und Sie haben wahrscheinlich recht. Aber wir haben einfach keinerlei Beweise.«
    »Wir wissen, daß er sie vergewaltigt und geschlagen hat.«
    »Was vor Gericht niemals bewiesen worden ist.«
    »Weil er sie getötet hat, ehe sie gegen ihn aussagen konnte.«

    »Beweisen Sie es.«
    Jess warf den Kopf zurück und starrte zur Decke hinauf. Hatte sie dieses Gespräch nicht schon einmal geführt?
    »Rick Ferguson hat Connie DeVuono bedroht. Er hat ihr gesagt, sie würde nicht so lange leben, daß sie gegen ihn aussagen könnte.«
    »Dafür haben wir nur ihr Wort.«
    »Und das, was er zu mir gesagt hat?« fragte Jess. Zu laut. Zu herausfordernd.
    »Nicht ausreichend.«
    »Nicht ausreichend? Wie meinen Sie das, nicht ausreichend?«
    »Es reicht einfach nicht aus«, wiederholte Tom Olinsky unverblümt. »Wir kämen nicht weiter als bis zu einer Vorverhandlung. Das wissen Sie so gut wie ich.«
    »Es gibt doch zahlreiche Fälle, wo Personen wegen Mordes unter Anklage gestellt wurden, obwohl eine Leiche nie gefunden worden war«, beharrte Jess eigensinnig.
    »Und wie viele Verurteilungen?« Tom Olinsky schwieg. Er lehnte sich an seinen Schreibtisch. Jess meinte, das Holz ächzen zu hören. »Jess, muß ich Sie erst daran erinnern, daß der Mann für die Zeit von Connie DeVuonos Verschwinden ein Alibi hat?«
    »Nein, ich weiß - seine Mutter, die Heilige!« sagte Jess mit Verachtung. »Er sorgt dafür, daß ihr der Alkohol nicht ausgeht; sie sorgt dafür, daß ihm die Alibis nicht ausgehen.«
    Tom Olinsky kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück und ließ sich langsam in den gewaltigen Ledersessel sinken. Er sagte nichts. Sein Schweigen wirkte einschüchternder als seine Worte.
    »Wir lassen ihn also davonkommen«, sagte Jess. »Das heißt es doch, nicht wahr?« Sie warf die Hände hoch und stand auf. Mit einer ruckartigen Bewegung drehte sie den Kopf, so daß er die Tränen in ihren Augen nicht sehen würde.
    »Was ist eigentlich los, Jess?« fragte Tom Olinsky, als Jess zur Tür

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