Schenk mir nur diese eine Nacht (German Edition)
hatte er sich gefragt, was falsch gelaufen war. Müde ließ er sich wieder auf seinen Stuhl sinken.
„Lissa war vom Ehrgeiz besessen. Sie wollte die Beste sein. Und das Beste haben. Den richtigen Film. Das richtige Haus. Den richtigen Mann.“ Demetrios stieß die Sätze abgerissen, mit fast tonloser Stimmer hervor. Er spürte, wie Anny sanft ihre Hand auf sein Knie legte, und er war dankbar für die Berührung. „Der Zweck heiligte alle Mittel. Sie benutzte die Menschen, um zu bekommen, was sie wollte. Auch ich war nur ein kleiner Trittstein für ihre Laufbahn. Ich dachte, ich könnte sie glücklich machen, dass sie vielleicht ruhiger werden würde, wenn wir erst einmal eine Familie hätten.“
„Vielleicht wäre es auch so gekommen, wenn sie nicht …“ Anny schaffte es nicht, den Satz zu Ende zu bringen.
„Nein.“ Demetrios lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und starrte minutenlang wortlos die Decke an.
„Ich drehte gerade einen Film in South Carolina“, fuhr er leise fort, „und ich wollte, dass sie mich dort erreicht. Meine Idee war, dass wir uns nach Ende der Dreharbeiten endlich etwas Zeit für einander nehmen könnten. Ich hoffte auf einen Neuanfang mit ihr. Auf eine Familie.“ Demetrios schluckte und blickte Anny an.
„Aber ihr wurde eine Filmrolle angeboten. Ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnte. Oder nicht ablehnen wollte. Sie flog nach Thailand, während ich noch in South Carolina war. Ich wollte sie später dort besuchen, aber sie sagte, sie sei zu sehr mit den Dreharbeiten beschäftigt. Ich hörte nichts von ihr, bis mich der Regisseur anrief und mir mitteilte, dass sie im Krankenhaus lag.“
„Mit einer Blutinfektion?“, fragte Anny vorsichtig nach.
„Ja.“
„Wie schrecklich.“ Sie griff nach seiner Hand und ließ sie nicht wieder los.
„Die Infektion hat sie sich zugezogen, als sie unser Kind abtrieb“, hörte Demetrios sich sagen. Er hatte diese Geschichte bisher noch niemandem erzählt.
Anny stand die Unglaubwürdigkeit ins Gesicht geschrieben. Sie drückte seine Hand.
„Sie hat es mir erst im Krankenhaus gestanden, dass sie schwanger gewesen war. Das Kind hätte nicht in ihre Pläne gepasst, so ihre Begründung für die Abtreibung.“
Demetrios konnte den Schmerz nicht länger verbergen. Er hatte gelernt, mit einer gewissen Distanz über seine Ehefrau zu reden, aber hier ging es nicht nur um Lissa. Der Gedanke an das ungeborene Kind war wie ein Messer in seinem Herzen.
„So, jetzt weißt du es“, sagte er mit einem bitteren Seufzen.
„Ja, jetzt weiß ich es.“ Keiner von ihnen bewegte sich oder sprach. Ratlosigkeit und Stille erfüllte den Raum. Gedankenverloren strich Anny mit ihrem Daumen über seinen Handrücken.
„Und deswegen lautet meine Antwort nein. Weil ich dich nicht benutzen will. Es wäre nicht gerecht. Ich habe keine Ahnung, warum du meinst, mich zu lieben. Ich kann nur hoffen, dass du dich getäuscht hast. Aber wenn du das nächste Mal mit jemandem schläfst, sollte es aus gegenseitiger Zuneigung geschehen. Du verdienst es, geliebt zu werden. Nur kann ich keine Liebe mehr geben.“
9. KAPITEL
Jetzt weißt du es.
Die ganze Nacht tat sie kein Auge zu, unaufhörlich drehten sich diese vier Worte in ihrem Kopf.
Sie hatte – wie wahrscheinlich der Rest der Welt – gedacht, dass der Grund für Demetrios’ selbst auferlegte Einsamkeit der tragische Tod seiner geliebten Ehefrau war.
Doch die Realität war schlimmer als der schrecklichste Albtraum.
Zu gerne hätte Anny versucht, seinen Kummer und Zorn zu lindern. Gleichzeitig wusste sie aber, dass es Verluste gab, über die man nicht so einfach hinweg kam und die einen unweigerlich veränderten.
Hatte Demetrios die Fähigkeit zu lieben und zu empfinden wirklich verloren?
War die Tatsache, dass er nicht mit ihr schlafen wollte, um sie nicht zu verletzen, nicht ein Beweis für seine Einfühlsamkeit?
Aber das konnte sie ihm nicht sagen. Und genauso wenig konnte sie ihm sagen, dass sie ihn trotz – oder gerade wegen – seiner Schwächen liebte. Dass er nicht der perfekte und unfehlbare Mann zu sein brauchte, den sie sich in ihren Träumen zurechtgelegt hatte und den er manchmal vorgab zu sein.
Es ist nicht so, dass er keine Liebe für die anderen übrig hatte, dachte Anny. Das Problem ist, dass er sich selbst nicht liebt.
Die nächsten Tage hielt Demetrios die Gespräche auf ein Minimum beschränkt. Das sonnige mediterrane Klima war zurückgekehrt, sodass sie keine wetterbedingten
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