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Schenkel, Andrea M

Schenkel, Andrea M

Titel: Schenkel, Andrea M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bunker
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allein pinkeln. Ich hasse es. Ich kann nichts, gar nichts alleine, muss ihn sogar bitten, mir meine Unterhose anzuziehen. Ich bin völlig von dem Kerl abhängig. Gefällt dem das, fährt der darauf ab? Ich hätte mehrmals abhauen können. Jetzt geht gar nichts mehr, ich komme nicht mal die steile Treppe hinunter ohne seine Hilfe. Mit diesen Händen kann ich mich nirgends festhalten. Ich hab mich in eine Scheißsituation gebracht. Ich müsste furchtbare Angst haben. Habe ich aber nicht. Ich bin völlig ruhig, es ist, als ob es mich nichts anginge. Als würde ich in einer gläsernen Kugel oder Blase sitzen. Ich kann alles um mich herum sehen, hören, aber es kommt nicht an mich heran. Ich bin innerlich seltsam gelassen. Ich müsste doch schreien, toben, heulen, mich wehren. Aber ich beobachte nur, bin ganz ruhig. Sitze hinter der inneren Glaswand, bin von mir selbst getrennt. Völlig irre. Es ist doch scheißegal, ob es Hans oder irgendein anderer Verrückter ist, ich muss ihn auf meine Seite ziehen. Nur wenn ich ihn auf meiner Seite habe, habe ich eine Chance. Nur dann. Herrgott noch einmal! Hilf mir!
    Als Erstes muss ich mich anziehen, dann sehen wir weiter. Ich muss ihn fragen, ob er mir hilft. »Kannst du mir bitte beim Anziehen helfen?«
    Er nickt. Es ist mir fürchterlich peinlich. Er hilft mir in meine Kleider. Ihm scheint es gar nicht unangenehm zu sein, eher im Gegenteil.
    »Danke.«
    Er geht hinüber zum Tisch, setzt sich. Ich bleibe im Raum stehen. Unschlüssig.
    »Hungrig? Komm, iss.«
    Mit einer einladenden Bewegung der Hand winkt er mich zu sich hinüber. Ich gehe zu ihm, setze mich. Er lächelt mich an. Ich probiere mich an einem Lächeln, ziehe ein bisschen gequält meine Mundwinkel hoch.
    Ich werde gefüttert wie ein Kleinkind. Gabel für Gabel, zwischendurch ein Schluck Wasser zum Runterspülen.
    »Noch ein Stück?«
    »Nein, ich bin satt!«
    »Gut, dann nehme ich das Geschirr runter zum Abwasch.«
    Er steht auf, beginnt abzuräumen. Ich möchte nicht wieder alleine sein, möchte das einfach nicht. Mit einem Mal habe ich Angst davor. Angst vor dem Alleinsein, Angst vor meinen Träumen.
    »Kannst du noch hier bleiben?«
    Er sagt nichts, setzt sich aber wieder hin. Wir sitzen da, stumm. Jeder hat den Blick auf die Tischplatte gerichtet. Nach einer Weile höre ich mich ganz leise zu ihm sagen: »Ich möchte nicht alleine sein.«
    Er sagt nichts. Bleibt stumm sitzen. Ich rede einfach weiter, irgendwas. Rede, damit er bleibt, ich nicht alleine bin.
    »Gehört dir das Haus?«
    »Warum willst du das wissen?«
    »Nur so.«
    Pause. Scheiße, war die falsche Frage.
    »Wie heißt du?«
    »Du kannst mich nennen, wie du willst!«
    »Du musst doch einen Namen haben? Wie wäre es mit Hans? Ich nenne dich Hans.«
    »Der ist so gut oder so schlecht wie jeder andere Name.«
    »Gefällt dir Hans? Ist dir das recht?«
    »Von mir aus.«
    Er sitzt da, sagt nichts mehr. Starrt nur auf seine Hände. Ich sitze da, sage auch nichts mehr. Verdammt! Es klappt nicht, ich habe ihm nichts zu sagen, kann mit ihm kein vernünftiges Gespräch führen. Es ist eine Mauer zwischen uns. Joachim, der tote Joachim? Ich weiß nur eines, wenn ich wieder alleine bin, werde ich verrückt. Ich will nicht, kann nicht. Alles dreht sich nur um einen einzigen Gedanken, nicht alleine sein.
    Er steht auf. Nimmt das Tablett. Ich stehe auch auf, stelle mich ihm in den Weg.
    »Ich weiß, wo der Schlüssel ist. Ich kann dir helfen, an das Geld zu kommen, Hans.«
    Er stutzt, sieht mich an. Zum ersten Mal sieht er mir direkt in die Augen. Es poltert aus mir heraus. Ich rede einfach weiter.
    »Ich kann dir helfen und du lässt mich dann laufen, okay?«
    Er sieht mich misstrauisch an, will mit dem Tablett an mir vorbei. Ich weiche zur falschen Seite hin aus, remple gegen das Tablett. Alles fällt scheppernd zu Boden.
    »Entschuldige.«
    Er sieht mich an, streicht mit seiner Hand eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. Fast zärtlich. Hält meinen Kopf zwischen seinen groben Händen. Ich schließe die Augen. Er küsst mich mitten auf den Mund. Dann hebt er die Scherben vom Boden auf, nimmt das Tablett und geht. Ich stehe einfach nur da, mitten im Raum.
    Ich wache auf und meine Hände pochen wie verrückt. Toben. Auch ich fange an zu toben, schreie wie wild. Wälze mich im Bett hin und her.
    »Hans, hilf mir, ich halt es nicht mehr aus! Gib mir eine Spritze. Hilf mir! So hilf mir doch!«
    Ein lautes Krachen und Poltern. Er läuft die Treppe hoch, holt die

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