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Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Titel: Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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eine Genehmigung zu bekommen. Auch wenn Glebs Mutter es nicht für notwendig hält, würde es mich wirklich beruhigen, und schließlich kann es nicht schaden. Wie viel Zeit es in Anspruch nehmen würde, weiß ich nicht. Wenn ich hier aufgehalten werde, könnte es durchaus sein, dass Michail Alexandrowitsch [Swetas Chef Zydsik] selbst in Urlaub gehen will. Dann würde ich vor meiner Abreise auf seine Rückkehr warten müssen. Also verlass Dich nicht zu sehr darauf, dass ich bald kommen werde. Was eine Pause angeht, würde ich sie sogar später vorziehen (in dieser Hinsicht unterscheide ich mich von allen anderen), da ein früher Urlaub rasch vergessen ist und man sich so fühlt, als hätte man überhaupt keine Ruhe gehabt. Andererseits geht auch Michail Alexandrowitsch aus den gleichen Gründen gern spät in Urlaub … O. B. ist gerade eingetroffen, also muss ich unterbrechen …
   Wir haben Glebs Mutter gebeten, die Leckereien mitzunehmen, die seit April auf Dich warten: Bonbons von O. B., Schokolade von Irina natürlich und Zucker von mir genauso natürlich, denn Irina kann Zucker nicht ausstehen, während ich dagegen nichts auf Bonbons gebe. Da alles Mögliche geschehen kann, schicke ich Dir auch (und werd nicht wütend, damit Deine Leber nicht platzt) etwas Geld. Das ist immer nützlich – und wenn Du nichts für Dich selbst kaufen willst, dann vielleicht für Deine Genossen. Etwas anderes, das ich Glebs Mutter gebeten habe mitzunehmen, ist eine Brille für Dich. Es ist eine zweite, die Schurka bekommen konnte (laut Verschreibung genau 3,5). Papa hat seine eigene inzwischen zurückerhalten. Das ist vorerst alles. Pass auf Dich auf, mein Liebling. Ich küsse Dich sehr, sehr herzlich.
     
    Glebs Mutter hatte mehr Erfolg als die Litwinenkos. Erneut gelang es ihr, sich mit ihrem Sohn an aufeinanderfolgenden Tagen mehrere Stunden lang zu treffen, diesmal unter Aufsicht der Wärter, doch in der kleineren Wache zwischen der Industriezone und den Baracken der 2. Kolonie statt in dem größeren und geschäftigeren Gebäude am Haupttor. Lew warnte Sweta, Natalia Arkadjewnas Erfolg zu viel Bedeutung beizumessen. Glebs Artikel sei weniger schwerwiegend als seiner, und dessen Mutter habe Glück gehabt (oder verstehe sich einfach sehr gut auf die Zahlung von Bestechungsgeldern). Sweta dürfe höchstens erwarten, Lew »für ein paar Minuten« zu sehen, und müsse sich sogar auf eine »strikte Ablehnung« durch das MWD gefasst machen. Sweta wurde gleichwohl durch den Bericht von Glebs Mutter beflügelt. »Natalia Arkadjewna ist am Montag bei mir vorbeigekommen«, schrieb sie Lew am 16. Juli. »Sie ging detailliert auf die materielle-finanzielle Seite [Bestechung] ein und hat meine Nerven diesbezüglich völlig beruhigt. Sie unterstützte mich in meinem Wunsch zu reisen. Jedenfalls ist sie eine charmante Person, und ich bin ihr sehr dankbar.«
    Natalia Arkadjewnas Auskünfte hatten Sweta nicht nur in ihrer Entschlossenheit bestärkt, um jeden Preis nach Petschora zu reisen, sondern auch ihre Vermutung bestätigt, dass sie einen anderen Weg finden konnte, sich mit Lew zu treffen, falls die Gulagverwaltung die Erlaubnis verweigerte. Wenn nicht durch Bestechung, würde sie eine andere Methode finden, sich in die industrielle Gefängniszone einzuschmuggeln.
    Am 16. Juli wurde die Zeit für Sweta knapp, wenn sie die erforderlichen Vorbereitungen für eine Reise nach Petschora vor dem Ende des Sommers treffen wollte. Sie musste abwarten, ob ihr Chef Zydsik ihren Urlaubswunsch genehmigte, nicht zuletzt weil sie darauf angewiesen war, dass er während ihrer Abwesenheit in Petschora für sie einsprang. In der letzten Juliwoche wurde Zydsik ins Krankenhaus eingewiesen. Er hatte am 1. August nach Kislowodsk im Kaukasus in Urlaub fahren und frühestens am 12. September nach Moskau zurückkehren sollen, doch nun verzögerte sich seine Reise. »Ljowenka, mein Liebling, wieder einmal müssen wir allunsere Geduld und Nachsicht aufbringen – mein Urlaub ist verschoben worden«, schrieb Sweta am 28. Juli. »Ich miaue, aber ich wäre bereit, bis Dezember zu warten, wenn ich nur wüsste, dass Tugend belohnt wird (wäre es dann überhaupt noch Tugend?). Wirklich, ich miaue.«
    Im August, als die halbe Moskauer Bevölkerung im Urlaub war, arbeitete Sweta weiterhin im Institut, wo sie Zydsiks Verwaltungspflichten übernahm. »Hier herrschen 28 Grad, und alles ist durch die Fabrikabgase und den Staub mit einem verschwommenen Dunst bedeckt«,

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