Schicksal!
Sinne, wenn wir um den Globus schwirren, Halbunsterbliche zeugen und damit den Genpool verändern würden. Obwohl uns bei der Fortpflanzung, selbst untereinander, unsere DNA im Wege steht, können wir dennoch unseren Spaß haben, ohne irgendwelche kosmischen Auswirkungen zu riskieren. Aber Gefühle für Menschen zu entwickeln, eine Beziehung mit ihnen in Erwägung zu ziehen oder gar anzustreben – das ist ein definitives Tabu.
In solchen Fällen ist es empfehlenswert, sich Rat einzuholen, und ich weiß, dass
Ehrlichkeit
immer aufrichtig und vertrauenswürdig ist. Sie ist so eine Art Therapeutin für unsterbliche Wesenheiten.
»Was soll ich bloß machen?«, frage ich sie.
»Wieso versuchst du nicht, mit ihr zu reden?«, schlägt
Ehrlichkeit
vor.
»Mit ihr reden?«
»Das nennt man auch Kommunikation.« Sie drückt ihre Zigarette aus. »Frauen mögen das.«
Ehrlichkeit
lebt in der Upper West Side in einer dreihundert Quadratmeter großen Dreizimmerwohnung, die sich in der obersten Etage eines sechsstöckigen Gebäudes befindet und einen Ausblick auf den Central Park bietet. Von der Couch in ihrem Wohnzimmer aus kann ich durch das Panoramafenster die Grünfläche der North Meadow sehen.
»Aber wenn ich mit ihr rede«, erkundige ich mich, »würde das nicht eine mögliche Beziehung fördern?«
»Ist das ein Problem?«, erwidert sie.
»Nun … verstößt das nicht gegen die Regel, auf keinen Fall enge Bindungen mit menschlichen Frauen einzugehen?«
»Wessen Regeln sind das?«, entgegnet
Ehrlichkeit.
»Deine Regeln? Jerrys Regeln? Die Regeln gefühlsmäßig unterkühlter Männer?«
»Ist das eine Multiple-Choice-Frage?«
Ehrlichkeit
zündet sich eine weitere Zigarette an, nimmt einen Zug, lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und schlägt die Beine übereinander. »Hast du Angst vor Intimität?«
Um es auf den Punkt zu bringen:
Ehrlichkeit
neigt zu passiv-aggressivem Verhalten.
Da sie zu den Attributen gehört, hat
Ehrlichkeit
keinen so großen Einfluss auf die Entscheidungen der Menschen. Sie versorgt sie nur mit einem der Werkzeuge, die sie brauchen, um die Herausforderungen zu bewältigen, die ihnen von
Verlockung, Scham
und
Zorn
vor die Füße geworfen werden.
Übrigens: Während
Zorn
im Zweitjob bei den Emotionen mitmacht, wird er in der Gehaltsliste als Todsünde geführt.
»Also meinst du, ich sollte mit ihr reden«, fasse ich zusammen. »Soll ich sie vielleicht fragen, ob sie Lust auf einen Kaffee hat? Oder sie zu einem tollen Abendessen einladen?«
Ehrlichkeit
nickt. »Das ist es, was Menschen in so einem Fall normalerweise machen. Und ich weiß, dass du bereits Umgang mit menschlichen Frauen hattest.«
Was durchaus der Wahrheit entspricht. Während der letzten fünftausend Jahre oder so habe ich einige Tändeleien mit menschlichen Frauen gehabt. Und davor? Nun, bis vor ungefähr zwölftausend Jahren war die Menschheit voll und ganz damit beschäftigt, sich von ihren affenartigen Vorfahren weiterzuentwickeln. Und von den paläolithischen Frauen ließ man besser die Finger. Vertraut mir: Sie haben es nicht ohne Grund Steinzeit genannt.
Doch selbst die frühen neolithischen Frauen waren kein besonders schöner Anblick. Manchmal konnte man den Unterschied zwischen Männern und Frauen immer noch nicht so recht erkennen. Ganz ehrlich: Keine von denen sah in einem Mammutfell-Bikini nur annähernd so gut aus wie Raquel Welsh in
Eine Million Jahre vor unserer Zeit.
Zu den weiblichen Hominiden hielt man am besten Abstand. Bis zum Aufstieg der griechischen Zivilisation, ungefähr dreitausend Jahre vor unserer Zeit. Von da an begannen menschliche Frauen, ziemlich gut auszusehen.
Nofretete.
Helena von Troja.
Marie Antoinette.
Und wer von euch hätte
nicht
mit Kleopatra geschlafen? Na? Hebt irgendwer die Hand? Dachte ich mir doch.
Meine zahllosen Affären mit menschlichen Frauen sind nie mehr als Spielereien gewesen, One-Night-Stands, bei denen es um die reine sexuelle Befriedigung ging. Aber das hier … diese Gefühle in mir … für eine sterbliche Frau … das ist noch nie vorgekommen.
Nebenbei bemerkt ist es ja generell eine dumme Idee, eine romantische Beziehung mit jemandem aus dem gleichen Apartmenthaus einzugehen. Wenn es dann nämlich schiefgeht, kann das die Wohnsituation ziemlich unangenehm gestalten. Es ist sogar noch schlimmer, eine romantische Beziehung mit jemandem aus demselben Gebäude einzugehen, wenn man das Schicksal ist und man schon vorher weiß, wann man einen Streit haben
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