Schicksal!
tagein macht.
»Tja, Sergio, das war echt lustig«, meint sie schließlich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Aber ich glaube, es wird Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.«
Allerdings. Während wir Gewinne um Gewinne eingestrichen haben, waren eine Menge anderer Gäste der Rennbahn in Daytona nicht gerade vom Glück gesegnet. Und so schaue ich
Glück
nun hinterher, als sie sich von mir verabschiedet und sich unter die Menschen mischt. Ihr goldenes Lamé-Kleid schimmert in der Sonne Floridas, während sie an Männern und Frauen vorbeigleitet, deren Glück sich auf der Stelle zum Besseren wenden wird.
Einer von denen, die
Glück
auslässt, ist Cliff Brooks, ein berufsmäßiger Versager. Sein Ziel: Aus den hundert Dollar, mit denen er hergekommen ist, so viel zu machen, dass er seine Freundin anschließend zu einem netten Geburtstagsessen ausführen kann. Vielleicht ins Hooters oder in Robbie O’Connell’s Pub. Aber nach sechs Rennen sind alles, was Cliffs Bemühungen ihm gebracht haben, ein Hund, der Platz gemacht hat, und fünfzig Mäuse, die ans Haus gegangen sind.
Wenn ich nicht eingreife, wird Cliff den Rest seines Lebens damit verbringen, unzufrieden mit seinem Job zu sein, nur Geld zu verdienen, um Geld zu verdienen, und er wird es dabei versäumen, seinen optimalen Pfad zu entdecken. Ja, ich weiß. Ich sollte mich einfach umdrehen und Land gewinnen. Ich sollte gehen, mir eine nette Gruppe buddhistischer Mönche suchen oder vielleicht ein bisschen mit dem Dalai-Lama abhängen. Aber nach mehr als einer Woche ohne Einmischung durchleide ich eine Art Entzug ohne meine erbärmlichen Menschen. Ich bin gierig auf einen Cracksüchtigen, einen Obdachlosen oder einen Strafverteidiger. Und Cliff Brooks ist der Schuss, den ich jetzt brauche.
Jerry hat mir verboten, mich einzumischen – ich weiß. Aber Hand aufs Herz: Es ist doch nur ein einziger kleiner Mensch. Eine kleine, bedauernswerte Seele. Ein unbedeutender Sterblicher, der sein Leben damit verbracht hat, falsche Entscheidungen zu treffen.
Doch heute wird Cliff Brooks etwas erleben, womit er nicht gerechnet hat. Ein bisschen Glück, das
Glück
ihm nicht geben kann. Cliff Brooks steht kurz davor, Besuch zu bekommen – und zwar von (Trommelwirbel, bitte) … Captain Schicksal.
Wächter der bestimmungstechnisch Gehandicapten.
Verteidiger der menschlichen Ungeschicklichkeit.
Meister der uninspirierten Zukunftsverläufe.
Ich glaube, ich sollte mir eine Titelmelodie zulegen. Vielleicht so was wie die von
Star Wars
oder die von der Fernsehserie
Peter Gunn.
Oder vielleicht etwas eigenes. Ich würde Beethoven oder Tschaikowsky bitten, etwas Mitreißendes für mich zu komponieren, aber leider sind sie ja beide tot.
Das Problem beim Kampf um das Schicksal von Cliff Brooks ist – abgesehen von der Tatsache, dass es mich meine Unsterblichkeit kosten kann –, dass ich sichtbar bin. Natürlich könnte ich mich in die Toilette schleichen oder mir eine Telefonzelle suchen und diese Situation beheben, ohne dass Mitarbeiter XY oder Cliff selbst etwas davon mitbekommen würde. Aber wenn Cliff nur ein
bisschen
mehr Geld auf die Hunde setzt, bevor ich zu ihm komme, dann ist das Rennen sozusagen gelaufen. Und deswegen trete ich sogleich neben ihn, als er gerade das Programm für das nächste Rennen zu Ende gelesen hat. Ehe er sich in die nächste zum Scheitern verurteilte Wette stürzt, flüstere ich ihm ins Ohr: »Du willst das nicht machen.«
»Was machen?«, fragt er, ohne zu versuchen, meine Hand von seinem Arm zu schütteln.
»Diese Wette«, erwidere ich und führe ihn von den Menschenschlangen an den Wettschaltern weg.
»Wieso nicht?«, fragt er.
»Weil Shoot the Moon nicht gewinnen wird.«
»Woher weißt du, auf welchen Hund ich setzen wollte?«, will er wissen, als ich ihn nun an den Fressbuden vorbeischiebe.
»Lass uns einfach mal sagen, ich bin ein Medium.«
»Wirklich?«
»Wirklich«, antworte ich und leite ihn durch den Hinterausgang hinaus. Er ist so folgsam. Verdammt, ich könnte ein Dieb sein. Oder ein Triebtäter auf Hafturlaub. Ich könnte sogar ein Serienmörder sein, und dieser Typ würde sich in aller Ruhe von mir in einen schalldichten Raum voller Fleischerhaken und Knochensägen führen lassen.
»Also kannst du meine Zukunft lesen?«
Ich nicke. »Mehr oder minder.«
»Wie zum Beispiel?«, fragt er.
»Zunächst mal«, erkläre ich, »solltest du die Restaurantwahl für das Geburtstagsessen deiner Freundin überdenken. Sie zu
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