Schicksal!
Welt durchaus durchkommen könnte, neigt Jerry dazu, etwas angepisst zu reagieren, wenn man seine Erlasse falsch interpretiert. Hinzu kommt: Einen direkten Befehl von Jerry zu missachten ist nicht die beste Methode, um ihn von seiner Schokoladenseite kennenzulernen. Fragt mal Satan.
Natürlich hat er mir mit empfindlichen Maßnahmen gedroht. Aber eigentlich droht Jerry dauernd jemandem. Und man sagt ja, dass Hunde, die bellen, nicht beißen. Doch selbst wenn sein Gebell oftmals schlimmer ist als sein Biss: Leere Drohungen sind trotzdem nicht sein Ding. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass er mich in die Unterwelt verbannen würde, aber Jerry könnte mich suspendieren und mir meine Kräfte abnehmen. Und wenn man sich nicht mit Lichtgeschwindigkeit teleportieren oder unsichtbar machen kann, raubt das irgendwie den Glanz am Unsterblichsein.
Doch auch meiner Kräfte beraubt zu werden ist bei Licht betrachtet nicht das Schlimmste, was mir passieren kann. Wenn Jerry richtig angepisst ist, kann er mir meine Unsterblichkeit nehmen. Was ätzend wäre. Ich müsste mir einen neuen Job suchen, einen neuen Platz zum Leben, und mein Menschenanzug würde sich schließlich abnutzen. Und wenn sich mein Menschenanzug abnutzt, dann würde mit mir dasselbe passieren.
Ganz ehrlich? So will ich meinen 257 981 . Geburtstag wirklich nicht feiern.
Mir bleibt also keine Wahl: Wenn ich das Leben, an das ich mich gewöhnt habe, weiterführen will, muss ich meine neu gefundene Aufgabe aufgeben und meinen Menschen erlauben, weiterhin falsche Entscheidungen zu treffen.
Diese Erkenntnis zu akzeptieren ist für mich schwerer, als ich erwartet hätte, weshalb meine Laune vollkommen im Keller ist. Sara hat versucht, mich aufzuheitern: Sie hat mir etwas gekocht – statt wie üblich irgendwelche Reste aufzuwärmen – und hat als französisches Zimmermädchen verkleidet mein Apartment aufgeräumt. Doch wenn ich deprimiert bin, will ich im Grunde nur auf der Couch liegen, Eiscreme von Ben & Jerry’s essen und Wiederholungen von
Seinfeld
anschauen.
Also habe ich mich für einen Ortswechsel entschieden. Irgendwas Tropisches. Etwas Entspannendes. Ein Ort, an dem ich Abstand zu allem gewinnen kann.
»Komm schon, Shadow Fury!«
Ich bin an der Daytona Beach Hunderennbahn in Florida und schaue mir an diesem Mittwoch das sechste Rennen in der Matinee an. Falls Shadow Fury die Ziellinie als Erster überquert, habe ich bei fünf von sechs Rennen gewonnen. Natürlich ist es nicht gerade hinderlich, dass
Glück
mir beim Plazieren der Wetten geholfen hat.
»Komm schon, Shadow Fury!«, schreit sie laut, einen halbleeren Wodka mit Cranberry-Saft in der einen und den Wettschein in der anderen Hand. Wenn ich es nicht besser wüsste … Ich würde schwören, dass sie keine Ahnung hat, ob unser Hund gewinnt.
Wir müssen die Aufgeregten mimen, wenn wir nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf uns ziehen wollen, als wir ohnehin schon tun. Deswegen mussten wir ja bereits das dritte Rennen schmeißen.
Ja, sicher, es ist nicht wirklich fair. Und versklavten Tieren dabei zuzuschauen, wie sie einzig und allein zur Befriedigung der menschlichen Unterhaltungs- und Spielsucht im Kreis rennen und dabei einem mechanischen Hasen hinterherjagen, macht die Sache auch nicht besser. Aber wenn man sich seit mehr als einer viertel Million Jahren um die täglichen Bedürfnisse minderer Lebensformen kümmert und wenn deren Schöpfer dir gerade nahegelegt hat, dich aus ihren Angelegenheiten herauszuhalten, dann muss man auch mal die Vorteile seiner Halb-Allwissenheit genießen dürfen.
»Halleluja!«, schreit
Glück
voller Freude, als Shadow Fury das Rennen gewinnt – mit fast einer Körperlänge Vorsprung vor den anderen Greyhounds. »Preiset Jerry.«
»Jerry?«, fragt ein verärgerter Mann hinter uns, der auch gewettet hat. »Wer zum Teufel ist Jerry?«
»Der Hundetrainer«, antworte ich knapp, schnappe mir
Glück
und gehe mit ihr zum Auszahlungsschalter.
»Oh, Sergio«, sagt sie. »Danke, dass du mich hierzu überredet hast. Ich hatte nicht mehr so viel Spaß seit den Olympischen Spielen 1980 und der Geschichte mit dem US -Hockeyteam.«
Nachdem wir unsere Wettscheine eingelöst haben, leeren wir unsere Getränke und drücken unsere Tagesgewinne einem alten Mann in die Hand, der heute einen schlechten Tag auf der Rennbahn gehabt hat. Den Part überlasse ich
Glück.
So mische ich mich rein technisch gesehen nicht ein – und außerdem ist es sowieso das, was
Glück
tagaus,
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