Schicksal!
Quittungen aufzubewahren.
»Was soll ich machen, während die Untersuchung läuft?«, will ich wissen.
»Nichts«, sagt Jerry. »Warte einfach ab, bis du wieder von mir hörst. Und verhalte dich um Himmels willen ruhig. Mach keinen Ärger.«
Dann ist er weg. Ich bleibe zurück – mit etwas Kleingeld, einem einfachen Ticket nach LaGuardia und einem halbleeren Beutel Feigen.
40
E in öffentliches Verkehrsmittel habe ich zuletzt im Frühling 1937 benutzt, und zwar flog ich damals als blinder Passagier an Bord der
Hindenburg
mit. Allerdings gab es für mich eigentlich nicht allzu viel zu tun bei den sechsunddreißig Mitreisenden, deren Schicksal es war zu sterben. Wenn du ein Fluggerät baust und dessen Gerüst mit Baumwolle bespannst, die wiederum mit Eisenoxid beschichtet ist, und du deine Kreation dann noch mit leicht entzündlichem Gas füllst, ist »das Schicksal versuchen« keine annähernd ausreichende Umschreibung.
Das gesamte Schiff verbrannte in unter vierzig Sekunden.
Ich hoffe, dass mein Flug nach Duluth, Minnesota, ein glücklicheres Ende findet.
Als ich nach meiner Unterredung mit Jerry am Flughafen von Rockford ankam, hatte ich wirklich vorgehabt, nach New York zurückzufliegen, um mit Sara zusammen sein zu können – und auch um nachzuschauen, ob
Lachen
und
Humor
in der Stadt wären, um mich aufzubauen. Aber als ich in der Schlange am Security-Checkpoint stand, fielen mir zwei Teenager auf, die von einem Mann beobachtet wurden, der mindestens doppelt so alt war wie sie. Und plötzlich musste ich an Darren Stafford denken. Seinen Tod hatte Jerry mir nicht per Fotobeweis gezeigt, und mit einem Mal kam mir der Gedanke, dass er noch am Leben sein könnte. Dass es noch Hoffnung geben könnte. Dass ich zumindest diesen einen Menschen wirklich noch retten könnte.
Also änderte ich meinen Flug, belastete mein Spesenkonto, rief Sara an, um ihr mitzuteilen, dass ich nicht zum Abendessen zu Hause sein würde, und besorgte mir Darren Staffords Telefonnummer bei der Auskunft. Ich rief ihn gleich an, um sicherzugehen, dass er am Leben ist. Und dann habe ich meinen Flieger nach Duluth bestiegen.
Dachte ich zumindest.
Denn es stellte sich schnell heraus, dass Fliegen nicht so einfach ist, wie ich angenommen hatte. Ich dachte, ich würde mich hinsetzen und nach einem einstündigen Nickerchen in Duluth aufwachen. Stattdessen musste ich neunzig Minuten nach Denver fliegen, wo ich über eine Stunde auf meinen Anschluss warten musste. Der Anschlussflug bringt mich nun in knapp zwei Stunden durch ununterbrochene Turbulenzen nach Minneapolis. Und nach einer weiteren Stunde Aufenthalt dort werde ich nach einem fünfundfünfzigminütigen Flug endlich in Duluth landen.
Von Rockford nach Denver. Von Denver nach Minneapolis. Von Minneapolis nach Duluth.
Ich verbringe genauso viel Zeit beim Warten auf meine Flüge wie in der Luft.
Wie können Menschen so reisen?
In den sieben Stunden, die ich brauche, um mein Ziel zu erreichen, hätte ich Bar-Hopping rund um die Welt betreiben und dabei die Zukunft von noch mal dreihundert Menschen ruinieren können. Stattdessen bin ich in diesem druckdichten Kokon aus Metall und Plastik gefangen, der während des zweiten Teils meiner Reise mit siebenhundertfünfzig Kilometern pro Stunde dahinkriecht. Und dabei sitze ich neben einem Versicherungskaufmann aus Iowa, der seit dem Start nicht mehr aufgehört hat zu quatschen.
»Und dann sagt sie – pass auf«, sagt er und schüttet den Rest seines zweiten Gin Tonics hinunter. »Dann sagt sie mir, sie will mich nie wiedersehen. Weißt du, was ich da gemacht habe? Ich hab ihr gesagt, sie soll sich zum Teufel scheren. Ich hab ihr gesagt, dass das Leben mehr für Duncan Mayfield bereithält als ein Flittchen wie sie. Das hab ich ihr gesagt.«
Ich bezweifele das. Mit einem Namen wie Duncan Mayfield sind die einzigen Dinge, die das Leben für dich bereithält, Spott und Häme. Und vielleicht eine ungewollte Schwangerschaft oder die unliebsame Bekanntschaft mit einem Trickbetrüger. Die besseren Dinge des Lebens stehen jedoch bestimmt nicht auf der Speisekarte.
Die Sache ist nur: Zum ersten Mal während meiner Existenz kann ich mir nicht absolut sicher sein. Seitdem Jerry mein Schicksalsradar ausgeschaltet hat, sind all die Stimmen, die ich normalerweise höre, verstummt. Es ist, als hätte jemand der dissonanten Symphonie, der ich schon so lange zugehört habe, wie ich denken kann, einfach den Saft abgedreht. Jene Symphonie aus Fehlern
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