Schicksalsfäden
Decken und den Tee gebracht hatte und Victoria warm ein gewickelt war, richtete er seinen Blick wieder auf sie »Miss Devane, würden Sie uns bitte in Ihren Worten erzählen, was sich in den letzten Stunden zugetragen hat?«
Victoria begann ihren Bericht der Ereignisse beginnend mit dem Moment, als Grant sie am Nachmittag verlassen hatte. Die Männer hörten schweigend zu nur einmal unterbrach Grant um noch etwas hinzuzufügen. Ein merkwürdiges Kratzen und Schaben an der Tür ließ Victoria irgendwann im Sprechen verwirrt stocken.
Cannon hörte es auch, blickte zur Tür und verdrehte die Augen. Er stand auf und öffnete die Tür, woraufhin sofort ein großer grau-braun gestreifter Kater ohne Schwanz stolz das Zimmer betrat und sich gelangweilt umsah.
»Chopper!«, rief Cannon mit einer Stimme, die jede andere Kreatur in London hätte zusammenzucken lassen. Doch bei Chopper zuckten nicht einmal die Ohren. Im Gegenteil. Er warf Cannon einen Blick zu, der wohl so etwas ausdrückte wie: »Nun werd mal nicht unverschämt«
Dann trottete er gemächlich auf Victorias Sessel zu und sprang ihr ohne Umstände direkt auf den Schoß. Victoria konnte gerade noch ihre Teetasse auf den Schreibtisch stellen, ehe sie etwas verschüttete. Chopper knetete ein paar Mal ihre Beine und ließ sich dann nieder. Ein großer haariger Haufen Katze.
Die Situation war Cannon offenbar peinlich, denn er murmelte Entschuldigungen und machte sich gerade an die gefährliche Aufgabe, Chopper von seinem neuen Schlafplatz zu vertreiben, doch Victoria wehrte ab.
»Das macht gar nichts«, sagte sie, »ich mag Tiere.«
Cannon setzte sich wieder mit einem Lächeln. »Na, dann darf ich Ihnen hiermit den wahren Chef des Bow-Street-Revier vorstellen.«
Während Chopper schnurrend ihren Schoß wärmte, beendete Victoria ihren Bericht. Sie war müde. Die Wärme im Büro und die Gewissheit dass sie jetzt in Sicherheit war und sich fallen lassen durfte, taten ein Übriges.
Grant legte ihr seine Hand in den Nacken und streichelte sie. Sir Ross starrte schweigend auf das Landschaftsbild an der Wand. Dann sagte er nur ein Wort.: »Keyes.« Enttäuschung, Überraschung und Besorgnis lag in seiner Stimme.
»Mir tut das alles wirklich sehr Leid«, sagte Victoria mit großem Ernst. »Wird der Fall die Arbeit für das Bow-Street-Revier schwerer machen?«
»Ich glaube nicht«, sagte Grant nach einer Weile. »Das Revier hat schon ganz andere Geschichten überstanden.«
Plötzlich sprang er auf, gab Chopper einen deftigen Schubs, dass dieser fauchend das Weite suchte, und verkündete: »Jedenfalls ist es jetzt wirklich Zeit für Miss Devane, sich zu verabschieden.« Er sah Cannon an. »Ich denke, den Papierkram können wir auch morgen noch erledigen.«
Cannon nickte. »Meine Kutsche wird sie nach Hause bringen.« Er öffnete die Bürotür und winkte Ernest heran, dem er Instruktionen gab. Gleichzeitig erschien wie aus dem Nichts Mrs. Dobson und fragte, ob sie noch etwas tun könne.
»Heute nicht mehr, Mrs. Dobson.« Er drehte sich zu Victoria um. »Danke für Ihre Hilfe, Miss Devane. Ich hoffe, Sie können diesen schrecklichen Tag schnell vergessen.«
»Ich brauche nur ein wenig Schlaf, dann geht es mir sicher wieder gut.«
»Ich werde gleich morgen früh nach Dr. Linley schicken«, sprang Grant ein, der ein schlechtes Gewissen hatte, weil er nicht selbst schon früher an die gesundheitlichen Folgen für Victoria gedacht hatte.
»Nicht schon wieder«, protestierte sie. »Sehe ich so aus, als müsste ich an einem einzigen Tag zweimal den Doktor bemühen?« Sie warf Grant einen herausfordernden Blick zu. »Du kannst dich ja mal untersuchen lassen! Komm, wir gehen nach Hause.«
»Genau, nach Hause«, sagte Grant lachend.
Mrs. Dobson sah den beiden nach, wie sie das Revier verließen, dann drehte sie sich mit einem Lächeln zu Sir Ross um, der in der Tür seines Büros lehnte. »Na, sieht ganz so aus, als hätte es unseren Mr. Morgan doch noch erwischt was?«
»Volltreffer«, sagte Cannon trocken. »Trauriger Tropf.«
»Nun, Sir, die Welt ist groß und Wunder lauem überall. Es fehlt vielleicht nicht viel und schon wären Sie in demselben traurigen Zustand wie Mr. Morgan jetzt.«
»Eher schlitze ich mir die Kehle auf«, antwortete Cannon ruhig. »Aber vorher hätte ich gern noch einen Kaffee, Mrs. Dobson.«
»Was denn? Jetzt noch?«, empörte sich die Haushälterin. »Nichts da, Sir. Was Sie brauchen, ist Schlaf, und zwar eine Menge Schlaf. Denken
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